1 Leitsatz

Seit dem 1.12.2020 ist eine auf Suspendierung eines Beschlusses abzielende einstweilige Verfügung gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. Damit ist diese auch selbst Inhaberin eines Anspruchs aus § 945 ZPO.

2 Normenkette

§ 44 Abs. 1 Satz 1 WEG; § 945 ZPO

3 Das Problem

Im Zusammenhang mit einer auf § 945 ZPO gestützten Klage wird fraglich, ob seit dem 1.12.2020 der Anspruch auf Schadensersatz der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer oder den Wohnungseigentümern zusteht.

4 Die Entscheidung

Der BGH meint, der Anspruch stehe der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu! Denn Beklagte einer Anfechtungsklage sei die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§ 44 Abs. 1 Satz 1 WEG). Deshalb sei seit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes am 1.12.2020 eine auf Suspendierung eines Beschlusses abzielende einstweilige Verfügung gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. Damit sei diese auch selbst Inhaberin eines Anspruchs aus § 945 ZPO.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es zum einen um die Frage, ob heutzutage den Wohnungseigentümern oder der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer der Anspruch aus § 945 ZPO zusteht (erweist sich die Anordnung einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt, so ist die Partei, welche die Anordnung erwirkt hat, danach verpflichtet, dem Gegner Schadensersatz zu leisten). Wie aus dem Leitsatz ersichtlich, entscheidet sich der BGH für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

Übergangsrecht

Der Fall spielt noch im "Altrecht". Ein Wohnungseigentümer hatte bereits im Jahr 2015 – also vor Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes – eine einstweilige Verfügung (Beschluss) erreicht, durch welche die Durchführung eines Erhaltungsbeschlusses (§ 19 Abs. 1 WEG) vorläufig außer Kraft gesetzt worden war ("Baustopp"). Dieser Beschluss ist nach einem Monat noch im Jahr 2015 wieder aufgehoben worden. Dennoch war der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch den Baustopp ein Schaden von 11.198,69 EUR entstanden, den der klagende Wohnungseigentümer nicht freiwillig erstatten wollte. Die anderen Wohnungseigentümer klagten daher nach § 945 ZPO auf Schadensersatz. Für das Übergangsrecht meinte der BGH, klären zu müssen, ob die Wohnungseigentümer, gegen die eine Anfechtungsklage damals zu richten war, einen "Schaden" erlitten hatten, wenn nicht sie, sondern die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Vertragspartei war. Dies bejaht der BGH der Sache nach. Ferner fragt der BGH, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer überhaupt einen Schaden erlitten hatte. Diese Frage, die heute keine Bedeutung mehr hat, bejaht der BGH für den Fall, dass die Wohnungseigentümer den Schaden im Innenverhältnis noch nicht ausgeglichen haben, und auch für den Fall, dass die Ausgabe bereits durch die Nachschüsse der Wohnungseigentümer ausgeglichen ist.

Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?

Jede Verwaltung muss wissen, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen einen Wohnungseigentümer einen Schadensersatzanspruch haben kann, wenn dieser zu ihren Lasten zu Unrecht eine einstweilige Verfügung erwirkt hat. Dieser Anspruch ist zeitnah zu realisieren!

6 Entscheidung

BGH, Urteil v. 21.4.2023, V ZR 86/22

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