Rz. 33

Die "Förderung" mit einer Mehraufwandsentschädigung ist u. a. an die frühere Arbeitnehmerhilfe neben der Arbeitslosenhilfe nach dem SGB III angelehnt. Sie könnte etwa 2,00 EUR je Arbeitsstunde betragen, aber auch darunter angesiedelt werden ("Mehraufwandsvariante", "Ein-Euro-Job"). Darauf hat der Erwerbstätige neben dem Bürgergeld einen Rechtsanspruch. Der Anspruch richtet sich gegen das Jobcenter, nicht gegen den Träger der Maßnahme (BSG, Urteil v. 13.11.2008, B 14 AS 66/07 R). Das schließt nicht aus, dass der Träger gegenüber dem Leistungsberechtigten Leistungen erbringt, die zu einer Minderung der Mehraufwandsentschädigung führen können. Die Mehraufwandsentschädigung stellt kein Arbeitsentgelt dar. Der erwerbsfähige Leistungsberechtigte hat keine weitergehenden Ansprüche, etwa eine zusätzliche Fahrkostenerstattung. Dies hat das BSG klargestellt. Abs. 1 ordne an, dass Leistungen nur für die Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen, also arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung nach § 25, nicht aber arbeitslosenversicherungsfreien sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erbracht werden dürfen (BSG, Urteil v. 4.3.2021, 4 AS 60/20 R). Veröffentlichungen, nach denen mit einer Arbeitsgelegenheit Beträge zwischen 850,00 und 1.000,00 EUR verdient werden können, sind missverständlich. Die genannten Summen beziehen sich auf die laufenden Leistungen, die weitergezahlt werden, und die Entschädigung, die nicht auf diese Leistungen angerechnet wird, insgesamt. Bei einer Arbeitsgelegenheit von 30 Stunden wöchentlich und einer Mehraufwandspauschale von 1,50 EUR je Stunde erhielte der Leistungsberechtigte monatlich weniger als 200,00 EUR (30 Stunden wöchentlich × 13 Wochen = 390 Stunden im Quartal, 390 Stunden : 3 Monate = 130 Stunden monatlich, 130 Stunden × 1,50 EUR = 195,00 EUR). Hiervon müssen die Aufwände, z. B. Fahrkosten, bestritten werden. Eine weitergehende Erstattung kommt nur in Betracht, wenn die Aufwendungen die Aufwandspauschale übersteigen. Das bedeutet umgekehrt für die Bemessung der Mehraufwandsentschädigung, dass sie auf jeden Fall die entstehenden Aufwendungen abdecken sollte. Eine Arbeitsgelegenheit im Umfang von mehr als 30 Stunden wöchentlich würde den Leistungsberechtigten im Regelfall daran hindern, sich daneben weiterhin intensiv um eine reguläre Beschäftigung zu bemühen. Damit werden Arbeitsgelegenheiten in Vollzeit aber nicht ausgeschlossen. In der Verwaltungspraxis hat sich gezeigt, dass Arbeitsgelegenheiten gerade von den Betroffenen weitaus nicht in dem Umfang abgelehnt werden, wie das zunächst erwartet worden war. Nach Auffassung des BSG gibt es keine gesetzliche Regelung zum zeitlichen Umfang von Arbeitsgelegenheiten. Ein wöchentlicher Umfang von bis zu 30 Stunden widerspricht jedenfalls nicht den Prinzipien von Arbeitsgelegenheiten. Es ist im Einzelfall zu beurteilen, welche spezifischen Eingliederungserfordernisse welchen zeitlichen Umfang der Arbeitsgelegenheit rechtfertigen (BSG, Urteil v. 16.12.2008, B 4 AS 60/07 R). Die Mehraufwandspauschale wird nur für Zeiten der tatsächlichen Teilnahme an der Arbeitsgelegenheit gezahlt, also z. B. nicht während eines Urlaubs oder einer Erkrankung, die eine Ausübung der Arbeitsgelegenheit vorübergehend verhindert.

 

Rz. 34

In einer Vielzahl von Fällen werden Arbeitsgelegenheiten als Möglichkeit für einen Hinzuverdienst verstanden und deshalb gern in Anspruch genommen. Von daher lässt sich die Frage, ob die Mehraufwandsentschädigung eine Anreizfunktion enthält, nicht eindeutig beantworten. In finanzieller Hinsicht kommt es auf eine Anreizfunktion jedenfalls nicht an. Umgekehrt ist in jedem Fall auch bei Zusammenrechnung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende mit der Mehraufwandsentschädigung das Lohnabstandsgebot einzuhalten. Werden die Zulässigkeitsschranken für Arbeitsgelegenheiten überschritten, entsteht allein daraus kein privatrechtliches Vertragsverhältnis zwischen dem Anbieter und dem Arbeitsuchenden. Auch ein faktisches Vertragsverhältnis wäre jedenfalls nicht zivilrechtlicher Natur (BAG, Urteil v. 26.9.2007, 5 AZR 857/06). Werden Beschäftigte in Arbeitsgelegenheiten gesetzeswidrig als normale Arbeitnehmer eingesetzt, kommt kein Arbeitsverhältnis zustande. In Streitfällen sind daher die Sozialgerichte zuständig (BAG, Urteil v. 20.2.2008, 5 AZR 290/07). Die Zahlung des üblichen Tariflohns für im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung geleistete Tätigkeiten scheidet aus, wenn der Zuweisungsbescheid bzw. die Eingliederungsvereinbarung bestandskräftig geworden sind. Denn dann stellen diese unabhängig von ihrer materiellen Rechtmäßigkeit die Rechtsgrundlage für die Arbeitsgelegenheit dar (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 10.6.2020, L 5 AS 23/16).

 

Rz. 35

Arbeitsgelegenheiten können seit 1.1.2009 nicht mehr als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung geschaffen werden. Der Drehtüreffekt, wie er früher bereits bei Arbeitsbeschaffungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen stattgefunden ...

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