Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Diabetes mellitus. Empfehlungen des Deutschen Vereins. Orientierungshilfe. keine rückwirkende Anwendung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Den aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 kommt mindestens der Charakter einer Orientierungshilfe zu. Ihnen ist im Regelfall zu folgen.

2. Wenn keine besonderen Umstände vorliegen, bedingt eine Erkrankung an Diabetes mellitus keinen krankheitsbedingt erhöhten Ernährungsaufwand.

3. Da die Empfehlungen nicht die Qualität einer Rechtsnorm besitzen, stellt sich die Frage einer Rückwirkung nicht. Maßgeblich für die gerichtliche Entscheidung sind die zum Zeitpunkt der Entscheidung jeweils aktuellen medizinischen Erkenntnisse.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 06.06.2008 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob dem Kläger im Zeitraum vom 01.03.2007 bis zum 31.08.2007 über die für diesen Zeitraum bisher nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der Beklagten festgesetzten Leistungen hinaus ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zusteht.

Der am … 1947 geborene Kläger beantragte bei der Beklagten erstmals am 01.08.2006 die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Hierbei machte er einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II geltend. Er leidet nach ärztlicher Bescheinigung an Diabetes mellitus Typ IIa. Am 29.06.2006 war ihm ärztlich für einen Zeitraum von zwölf Monaten Diabeteskost verordnet worden. Mit Bescheid vom 04.09.2006 in der Fassung des Bescheides vom 27.09.2006 bewilligte die Beklagte ihm für die Zeit vom 01.10.2006 bis 28.02.2007 Leistungen i. H. v. 672,95 EUR monatlich. Wegen nicht angegebenen Bezuges von Rentenleistung wurde diese Bewilligungsentscheidung später teilweise aufgehoben.

Am 19.02.2007 beantragte der Kläger die Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II bei der Beklagten. Ab dem 01.02.2007 betrug seine monatliche Rente 415,87 EUR. Abzüglich des Beitragsanteils zur Krankenversicherung, zusätzlichem Krankenversicherungsbeitrag und Beitrag zur Pflegeversicherung verblieb ein monatlicher Zahlbetrag von 376,78 EUR monatlich.

Mit Bescheid vom 21.02.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger für den hier streitigen Zeitraum monatliche Leistung in Höhe von 275,04 EUR. Hierbei ging sie von einer Regelleistung für erwerbsfähige Hilfebedürftige für den alleinlebenden Kläger in Höhe von 345,00 EUR monatlich aus und von Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 276,82 EUR monatlich. Die Kosten der Unterkunft und Heizung sind vorliegend nicht angegriffen.

Dem Gesamtbedarf von 621,82 EUR stellte sie - unter Abzug einer Versicherungspauschale von 30,00 EUR monatlich - verbleibendes Renteneinkommen von 346,78 EUR gegenüber. Einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung berücksichtigte sie - entgegen der zuletzt für Februar 2007 vorgenommenen Bewilligung - nicht. Zuvor hatte sie - zuletzt gemäß Widerspruchsbescheid vom 04.04.2007 - hierfür eine Krankenkostzulage von 51,13 EUR monatlich berücksichtigt.

Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 05.03.2007 Widerspruch ein mit der Begründung, dass der Mehrbedarf weiter zu berücksichtigen sei. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.2007 mit der Begründung zurück, dass der Kläger zwar ausweislich einer ärztlichen Bescheinigung vom 01.03.2007 unter Diabetes mellitus Typ IIa leide, die Übernahme einer entsprechenden Krankenkost jedoch nicht mehr notwendig sei, da bei Diabetes mellitus eine diabetesorientierte kalorienreduzierte, fettarme und ballaststoffreiche Ernährung ggf. unter Nutzung der auch in Discountketten angebotenen, speziell für Diabetiker geeigneten Nahrungsmittel angezeigt sei, ohne dass insoweit ein finanzieller Mehraufwand entstehe.

Nach der ärztlichen Bescheinigung vom 01.03.2007 weist der Kläger eine Körpergröße von 178 cm und ein Körpergewicht von 85 kg auf. Neben Diabetes mellitus leidet er an Hypertonie.

Auf die am 07.05.2007 beim SG Dresden eingegangene Klage, mit der der Kläger vorgetragen hat, er habe deswegen höhere Kosten, weil er regelmäßig mehrmals täglich Nahrung zu sich nehmen müsse, hat das SG die Beklagte nach vorangegangenem Gerichtsbescheid vom 06.03.2008 mit Urteil vom 06.06.2008 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 01.03.2007 bis 31.08.2007 einen monatlichen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 55,06 EUR zu gewähren. Die Berufung hat es nicht zugelassen. Zur Begründung hat es unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides vom 06.03.2008 ausgeführt, ein Arzt habe festgestellt, dass eine der Krankheit entsprechende Krankenkost erforderl...

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