Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Auskunftspflicht Dritter. Auskunftsverlangen gegenüber einem Unterhaltspflichtigen. Rechtswidrigkeit wegen Ermessensnichtgebrauchs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Auskunftsverlangen eines Jobcenters gegenüber einem Unterhaltspflichtigen kann nur auf der Grundlage von § 60 Abs 2 SGB II iVm § 21 Abs 1 Satz 1, Satz 2 Nr 1 SGB X geltend gemacht werden (Anschluss an BSG vom 23.6.2016 - B 14 AS 4/15 R = SozR 4-4200 § 60 Nr 4).

2. Zur Frage, ob das Auskunftsverlangen gegenüber einem Unterhaltspflichtigen eine Entstehungsvoraussetzung ist oder ob die Auskunftspflicht ab Antragstellung kraft Gesetzes besteht, jedoch erst mit dem Auskunftsverlangen fällig wird.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 21. September 2015 und der Bescheid des Beklagten vom 27. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2013 aufgehoben.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen ein Auskunftsverlangen des Beklagten nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Der am 1986 geborene Kläger ist Vater der am 2011 geborenen Y..., deren Mutter, X..., am 1980 geboren und mit dem Kläger nicht verheiratet ist.

Im gerichtlichen Verfahren der Kindesmutter gegen den Beklagten vor dem Sozialgericht Dresden (Az.: S 20 AS 1118/13 ER) trug die Kindesmutter mit Schriftsatz vom 5. März 2013 vor, dass der Vater von Y... bis zum Ende des Studiums 225,00 EUR Unterhalt gezahlt habe, da er selbst Unterhalt von seiner Mutter erhalten habe und davon den genannten Betrag habe weiterleiten könnten. Seit das Studium beendet sei, zahle er nur 133,00 EUR.

Mit Bescheid vom 27. Juni 2013, zugestellte am 28. Juni 2013, teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die Träger der Grundsicherung seiner Tochter und der Kindesmutter laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II gewähren würden. Es bestehe möglicherweise ein Anspruch auf Kindesunterhalt gemäß § 1601 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und für die betreuende Mutter auf Betreuungsunterhalt gemäß § 1615l BGB, welcher gegenüber den Sozialleistungen vorrangig sei. Dieser Unterhaltsanspruch gehe nach § 33 SGB II kraft Gesetzes bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Leistungsträger über. Daher könnten ohne Zustimmung der Leistungsträger Unterhaltszahlungen nicht mehr mit befreiender Wirkung an die unterhaltsberechtigten Personen erbracht werden. Ausgenommen sei die bisherige regelmäßig geleistete Unterhaltszahlung in Höhe von 133,00 EUR. Diese Zahlung entspreche jedoch nicht dem Mindestunterhalt. Zudem werde die Leistungsfähigkeit auf Betreuungsunterhalt geprüft. Um die Prüfung vornehmen zu können, sei seine Auskunft zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen notwendig. Dies beinhalte gegebenenfalls auch eine Verpflichtung zur Angabe der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Ehepartners/Lebenspartners. Sollte einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen werden, bestehe die Verpflichtung, Einkommens- und Vermögensverhältnisse der letzten 12 Monate durch Verdienstbescheinigungen und Steuerbescheide nachzuweisen. Die Pflicht zur Auskunftserteilung ergebe sich aus § 33 Abs. 1 Satz 3 SGB II i. V. m. § 1605 BGB. Sofern der Auskunftspflicht nicht nachgekommen werde, werde zur Erteilung der Auskunft vor dem Familiengericht zu klagen sein. Das Auskunftsverlangen werde auch auf die öffentlich-rechtliche Auskunftspflicht gemäß § 60 SGB II gestützt. Werde dieser nicht nachgekommen, könne ein Zwangsgeld festgesetzt und ein Bußgeldverfahren eingeleitet werden.

Mit Schreiben vom gleichen Tag teilte der Beklagte der Kindesmutter den Übergang der Unterhaltsansprüche mit.

Mit Widerspruch vom 18. Juli 2013 machte der Kläger geltend, dass ein Unterhaltsanspruch mangels Leistungsfähigkeit nicht gegeben sei. Für den Betreuungsunterhalt seien die Einkommensverhältnisse der letzten 12 Monate vor der Geburt maßgebend. In diesem Zeitraum sei er Student gewesen. Erst nach Abschluss des Studiums zum 1. März 2013 habe er in ein Beschäftigungsverhältnis treten können und sei Leistungsfähigkeit eingetreten.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2013 zurück, da ein öffentlich-rechtlicher Auskunftsanspruch gemäß § 60 Abs. 2 SGB II bestehe. Für das Auskunftsersuchen komme es lediglich darauf an, dass ein Unterhaltsanspruch überhaupt in Betracht komme. Nach gängiger Rechtsprechung sei der Unterhaltsberechnung das Einkommen der letzten 12 Monate, ausgehend vom Zeitpunkt der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs, zugrunde zu legen.

Der Kläger hat am 19. September 2013 Klage erhoben. Dem Unterhaltsanspruch seiner Tochter komme er regelmäßig nach. Der Unterhaltsanspruch der Kindesmutter sei verjährt. Das Auskunftsverlangen sei zudem rechtswidrig, da es sich auf den Ehegatten des Klägers erstrecke.

Der Beklagte und die Kindesmutt...

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