Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Studenten. Beurlaubung vom Hochschulstudium wegen Kinderbetreuung

 

Orientierungssatz

1. Ein Student ist während eines Urlaubssemesters dann nicht von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs 5 SGB 2 ausgeschlossen, wenn er in dieser Zeit entweder aus organisationsrechtlichen Gründen der Hochschule nicht mehr angehört oder die organisationsrechtliche Zugehörigkeit zwar weiterhin vorliegt, er sein Studium jedoch tatsächlich nicht betreibt (vgl BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 102/11 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 27 und vom 22.8.2012 - B 14 AS 197/11 R).

2. Betreibt eine Studentin während der Beurlaubung das Studium tatsächlich nicht, sondern widmet sich der Betreuung und Erziehung ihres unter 3-jährigen Kindes, so kann der Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht (wie hier laut Arbeitshilfe des Jobcenters) auf die ersten 12 Monate nach der Geburt des Kindes begrenzt werden. Dies verletzt Art 3 Abs 1 GG und Art 6 Abs 2 GG.

 

Tenor

I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin zu 1 vorläufig für den Zeitraum vom 25. Februar 2013 bis 31. August 2013 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich weiteren 548,68 € zu zahlen.

II. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 1.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin zu 1 begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von höheren Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Die am … 1980 geborene Antragstellerin zu 1 ist bei der Hochschule für Bildende Künste Dresden im Studiengang … immatrikuliert und im Wintersemester 2012/2013 und im Sommersemester 2013 beurlaubt. Sie lebt mit ihren Töchtern, der am … 2006 geborenen ... und der am … 2011 geborenen Antragstellerin zu 2 zusammen und beantragte erstmals am 15. November 2010 Arbeitslosengeld II. Der Antragsgegner bewilligte bis 7. September 2012 Leistungen nach dem SGB II. Den Antrag auf Weiterbewilligung von Leistungen vom 30. August 2012 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 4. September 2012 ab.

Die Antragstellerin zu 1 erhob am 13. September 2012 Widerspruch, den der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2013 zurück wies. Hiergegen erhoben die Antragstellerinnen am 18. Februar 2013 Klage vor dem Sozialgericht Dresden, die unter dem Az. S 20 AS 1025/13 geführt wird und über die noch nicht entschieden ist.

Am 25. Februar 2013 haben die Antragstellerinnen die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Die Antragstellerin zu 1 habe neben dem Kindergeld keine Einkünfte. Ihre Töchter erhielten Unterhalt. Für eine unterbrochene und nicht betriebene Ausbildung werde kein BAföG geleistet. Die Antragstellerin zu 1 habe ihre Ausbildung erziehungsbedingt unterbrochen. Auf einen Kinderbetreuungsplatz komme es nicht an. Die Ablehnung erscheine willkürlich.

Die Antragstellerinnen beantragen,

den Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellerinnen laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 593,19 € monatlich zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Antragstellerin zu 1 sei von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen.

Mit Bescheid vom 19. März 2013 hat der Antragsgegner den Antrag der Antragstellerin zu 1 vom 8. März 2013 abgelehnt. Mit Bescheid vom 21. März 2013 hat der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1 Leistungen für Auszubildende in Höhe von monatlich 137,52 € (Mehrbedarf für Alleinerziehende) und mit weiterem Bescheid vom 21. März 2013 den Töchtern der Antragstellerin zu 1 Leistungen in Höhe von monatlich 91,32 € jeweils für den Zeitraum 1. März 2013 bis 31. August 2013 bewilligt. Die Antragstellerinnen haben das Teilanerkenntnis angenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Antragsgegner vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet.

Inhaltlich handelt es sich um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit dem Begehren, den Antragsgegner - nach dem angenommenen Teilanerkenntnis vom 21. März 2013 noch - zu verpflichten, der Antragstellerin zu 1 vorläufig höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Voraussetzung für den Erfolg des Antrages ist, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vorliegen. Für eine vorläufige Entscheidung müssen gewichtige Gründe vorliegen (Anordnungsgrund). Der Anordnungsgrund liegt vor, wenn dem Antragsteller wesentliche, insb...

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