Entscheidungsstichwort (Thema)

Parallelentscheidung zu LAG Chemnitz 9 Sa 399/18 v. 20.05.2020

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Stellt der Arbeitgeber nach Ausspruch einer Kündigung die Gehaltszahlung an den Arbeitnehmer ein, so hat er dies zu vertreten, wenn er bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass die Kündigung unwirksam war.

2. Beruht der Ausspruch einer Kündigung auf einem vertretbaren Rechtsstandpunkt, handelt der Arbeitgeber mit der Einstellung der Gehaltszahlung solange nicht fahrlässig, wie er auf die Wirksamkeit seiner Kündigung vertrauen darf. Dieser Grundsatz kann auf den Fall der Befristung übertragen werden, bei der der Arbeitgeber mit vertretbaren Gründen zu der Annahme gelangt, die Befristung des Arbeitsverhältnisses werde sich als wirksam erweisen.

3. Befindet sich der Arbeitgeber bei der Einstellung der Gehaltszahlung in einem entschuldbaren Rechtsirrtum, hat er den Annahmeverzug nicht zu vertreten. Dem Gläubiger stehen in diesem Fall keine Verzugszinsen zu.

 

Normenkette

BGB §§ 276-278, 286 Abs. 4; TV-L § 37 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Dresden (Entscheidung vom 17.10.2018; Aktenzeichen 11 Ca 2880/17)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.06.2021; Aktenzeichen 5 AZR 385/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 17.10.2018 - 11 Ca 2880/17 -

a b g e ä n d e r t

und die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger aufgrund der verspäteten Zahlung seiner Vergütung für den Zeitraum vom 04.04.2013 bis zum 28.02.2017 einen Anspruch auf Verzugszinsen hat.

Am 18.09.2012 unterzeichnete der Kläger in der Personalabteilung der ... einen für die Zeit vom 05.10.2012 bis zum 04.04.2013 befristeten Dienstvertrag als vollbeschäftigter wissenschaftlicher Mitarbeiter in zweifacher Ausfertigung. Am 05.10.2012 nahm der Kläger seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter auch auf. Ein auch vom Beklagten unterschriebenes Vertragsexemplar erhielt der Kläger erst nach seiner Arbeitsaufnahme am 09.10.2012.

Unter dem Az. 2 Ca 1086/13 erhob der Kläger eine Befristungskontrollklage. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Auf die Berufung des Beklagten änderte das Sächsische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 06.06.2014 - 3 Sa 740/13 - diese erstinstanzliche Entscheidung ab und bestätigte die Rechtsauffassung des Beklagten, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Befristung am 04.04.2013 geendet hat. Mit Urteil vom 14.12.2016 (- 7 AZR 717/14 -) stellte dann das Bundesarbeitsgericht die erstinstanzliche Entscheidung wieder her und stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Unwirksamkeit der Befristung als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Rechtsauffassung vertreten, dass er Anspruch auf Verzinsung des verspätet gezahlten Annahmeverzugslohnes für die Zeit vom 04.04.2013 bis zum 28.02.2017 habe und dementsprechend zuletzt beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn Verzugszinsen in Höhe von 9.740,04 € zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 17.10.2018 hat das Arbeitsgericht dem Kläger die geltend gemachten Verzugszinsen zugesprochen. Wegen der Einzelheiten dieser Entscheidung wird auf das Urteil (Bl. 77 bis 83 d. A.) Bezug genommen.

Gegen das ihm am 13.11.2018 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Beklagte am 26.11.2018 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.02.2019 - mit am 11.02.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Etwaige Ansprüche des Klägers seien bereits durch Verfall untergegangen. Unabhängig hiervon treffe den Beklagten auch kein Verschulden an der zunächst unterbliebenen Zahlung. Zumindest bis zur Verkündung des Revisionsurteils am 14.12.2016 sei die Entgeltnachzahlung infolge eines Umstands unterblieben, den er nicht zu vertreten habe. Bis dahin habe er sich in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden und habe auf die Wirksamkeit der Befristung vertrauen dürfen. Die vom Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 16.04.2008 - 7 AZR 1048/06 - angestellten Überlegungen seien auf den vorliegenden Fall uneingeschränkt übertragbar gewesen. Dass der Beklagte einen vertretbaren Rechtsstandpunkt eingenommen habe, folge schon daraus, dass nicht weniger als drei verschiedene Kammern des Sächsischen Landesarbeitsgerichts in vier verschiedenen Rechtsstreitigkeiten mit identischen Sachverhalten seiner Auffassung gefolgt seien und die Befristungen allesamt für wirksam erachtet hätten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 17.10.2018 - 11 Ca 2880/17 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Den Überlegungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung pflichtet er bei, den Ausführungen des Beklagten im Berufungsrechtszug tritt er entgegen.

Von einem unvermeidbaren Rechtsirrtum auf Seiten ...

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