Verfahrensgang

ArbG Dresden (Urteil vom 01.07.1992; Aktenzeichen 18 Ca 287/91)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des ArbG Dresden vom 1.7.1992 – 18 Ca 287/91 – wird auf Kosten der Beklagten

zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die am 6.9.1937 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit 6.9.1965 zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 2.553,00 DM beschäftigt. Seit 1975 war sie ausschließlich im Bereich der Lebensmittelhygiene, seit 1978 als Fachinspektorin für Lebensmittelhygiene (Lebensmittelkontrolle) eingesetzt. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die im Wege der Änderungskündigung vorgenommene Zuweisung der Tätigkeit einer Hygienikerin für das Friedhofs- und Bestattungswesen im Gesundheitsamt.

Mit Urteil vom 1.7.1992 – 18 Ca 287/91 – hat das Arbeitsgericht Dresden für Recht erkannt:

  1. Es wird festgestellt, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung vom 29.10.1991 unwirksam ist.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
  3. Der Streitwert wird auf 7.659,00 DM (siebentausendsechshundertneunundfünfzig) festgesetzt.

Auf den Tatbestand dieser Entscheidung und die dort genannten Schriftsätze, Urkunden und Protokolle wird ergänzend Bezug genommen, so daß von einer näheren Darstellung abgesehen werden kann (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Gegen das ihr am 4.11.1992 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch anwaltlichen Schriftsatz vom 1.12.1992, eingegangen beim Landesarbeitsgericht Chemnitz am selben Tag, Berufung eingelegt. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23.12.1992, eingegangen beim Landesarbeitsgericht Chemnitz am selben Tag, hat sie die Berufung begründet.

Sie trägt vor, das Fachgebiet Lebensmittel- und Ernährungshygiene sei zum 1.7.1991 aus dem Arbeitsbereich der Hygiene ausgegliedert und dem Veterinäramt unterstellt worden. Im Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt hätten etwa 40 Stellen abgebaut werden müssen. Der Klägerin sei verhaltensbedingt gekündigt gewesen, erst mit – inzwischen rechtskräftigem – Urteil vom 10.7.1991 sei festgestellt worden, daß das Arbeitsverhältnis mangels ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats nicht aufgelöst worden sei. Auf Grund der zuvor durchgeführten Umstrukturierung bestehe für eine Beschäftigung der Klägerin in der Lebensmittelkontrolle kein Bedarf. Die Beklagte meint, auf die entsprechende Funktionszuweisung aus dem Jahr 1983 könne sich die Klägerin nicht mehr berufen. Die streitgegenständliche Umsetzung bzw. Versetzung wäre bereits unter Ausübung des Direktionsrechts möglich und der Klägerin zumutbar. Auch habe die Klägerin die Annahme der geänderten Arbeitsbedingungen unter Vorbehalt nicht rechtzeitig erklärt. Die Personalratsbeteiligung sei ordnungsgemäß erfolgt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des ArbG Dresden vom 1.7.1992, Az.: 18 Ca 287/91, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, die Beklagte habe im Amtsblatt im Dezember 1991 Lebensmittelkontrolleure gesucht. Entsprechende Stellenausschreibungen seien auch 1993 noch erfolgt. Im übrigen, so die Klägerin, sei die soziale Auswahl nicht richtig vorgenommen worden; u. a. sei die Mitarbeiterin Hütteck (ca. 20–21 Jahre alt, ledig) eindeutig weniger sozial schutzwürdig. Für sie, die Klägerin, sei die Änderung der Arbeitsbedingungen unzumutbar, zumal die Friedhöfe zum Teil sehr abgelegen seien. Durch bloße Ausübung des Direktionsrechts habe die Zuweisung des neuen Arbeitsplatzes nicht erfolgen können. Die Annahme unter Vorbehalt habe sie bereits mit Schreiben vom 11.11.1991 und daher rechtzeitig erklärt. Davon sei auch die Beklagte ausgegangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 12.5.1993 verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 1 u. 2, 66 Abs. 1, 11 Abs. 2, 64 Abs. 6 ArbGG, 516, 518, 519 ZPO).

II.

Die auch im übrigen zulässige Berufung ist jedoch sachlich unbegründet.

1.

Die Beklagte beruft sich für die streitgegenständliche Änderungskündigung auf Anlage I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 3 zum Einigungsvertrag. Danach ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn die bisherige Beschäftigungsstelle ersatzlos aufgelöst wird oder bei Verschmelzung, Eingliederung oder wesentlicher Änderung des Aufbaues der Beschäftigungsstelle die bisherige oder eine anderweitige Verwendung nicht mehr möglich ist. Die Möglichkeit einer Änderungskündigung ist dort nicht ausdrücklich vorgesehen. Gleichwohl ist eine Änderungskündigung nach dem genannten Tatbestand des Einigungsvertrages zulässig und bei Vorhandensein anderweitiger Verwendungsmöglichkeiten vorrangig geboten, denn nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf der Arbeitgeber stets nur von dem mildesten, ihm noch zumutbaren Mittel Gebrauch machen (vgl. KR-Wolf, 3. Auflage, Grundsätze 280 ff m. w. N.). Indem...

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