Verfahrensgang

ArbG Dresden (Urteil vom 03.12.1993; Aktenzeichen 7 Ca 3770/93)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 03.12.1993 – 7 Ca 3770/93 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Zwischen den Parteien ist streitig, ob einem Anspruch der Klägerin auf Abfindungszahlung nach den Bestimmungen des Tarifvertrages zur sozialen Absicherung (SozialTV) die – nicht in Anspruch genommene – Möglichkeit der Klägerin, Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu beziehen, entgegensteht.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO statthaft; sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 518, 519 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG).

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Abfindungsanspruch der Klägerin richtet sich nach den Regelungen des SozialTV. Dessen § 2 (Abfindung) lautet auszugsweise wie folgt:

„(1)

Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis gekündigt wird, weil

a)

er wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbar ist

oder …

erhält eine Abfindung. …

(6)

Tritt der Arbeitnehmer in ein Arbeitsverhältnis beim Arbeitgeber i.S.d. § 29 Abschn. b Abs. 4 BAT-O/BAT ein und ist die Zahl der zwischen der Beendigung des alten und in der Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses liegenden Kalendermonate geringer als die der Abfindung zugrunde liegende Anzahl von Bruchteilen der Monatsvergütung/Monatslohns (Abs. 2), verringert sich die Abfindung entsprechend. Überzahlte Beträge sind zurückzuzahlen.

(7)

Absatz 6 gilt entsprechend, wenn innerhalb des gleichen Zeitraums ein Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung entsteht.”

Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob der Klägerin dem Grunde nach ein Abfindungsanspruch entsprechend den Bestimmungen des SozialTV zusteht. Ein solcher hat sich jedenfalls gemäß § 2 Abs. 7 i.V.m. § 2 Abs. 6 SozialTV auf Null reduziert, weil bereits zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis zugunsten der Klägerin ein Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung entstanden war. Die Klägerin erfüllt seit dem 01.01.1992 die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Alters. Nach den Bestimmungen des Übergangsrechts für Renten nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets (verkündet als Art. 2 des Rentenüberleitungsgesetzes – fortan: RÜG vom 25.07.1991, BGBl. I, S. 1606) ist die Antragstellung ebensowenig wie nach den Bestimmungen über die gesetzliche Rentenversicherung im SGB VI materielle Voraussetzung für einen Rentenanspruch (vgl. §§ 3, 4 RÜG sowie §§ 35 bis 40 SGB VI). Anderes ergibt sich auch nicht aus der Vorschrift über die Antragstellung in § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB I. Dort ist nur geregelt, wo ein Antrag gestellt werden muß, so er denn erforderlich ist. Das Auslegungsergebnis wird bestätigt durch § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI. Danach wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des 3. Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Auch hier wird deutlich zwischen Anspruchsvoraussetzung einerseits und dem verfahrenseinleitenden Antrag andererseits getrennt. Soweit hat sich die Rechtslage (Erfordernis der Antragstellung als materielle Anspruchsvoraussetzung) gegenüber dem früheren Rentenrecht durch das Rentenreformgesetz 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I, S. 2261) mit Wirkung ab 01. Januar 1992 geändert (vgl. zu § 25 Abs. 3 des aufgehobenen Angestelltenversicherungsgesetzes und zu der aufgehobenen Bestimmung in § 1248 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung BSG, Urteil vom 18. März 1969 – 11 Ra 279/67 –, BSGE 29, 176, 177; zur jetzigen Rechtslage vgl. Bley, in: Bley u. a., Gemeinschaftskommentar Sozialversicherung Band 1, Loseblattsammlung, Stand der 114. Lieferung, SGB I § 16 Anm. 2 a; Hauck-Haines, Sozialgesetzbuch I, Loseblattsammlung, Stand der 12. Lieferung, K § 16 Rdnr. 3; Metzger in: Jahn, Sozialgesetzbuch für die Praxis, Loseblattsammlung, 53. Lieferung, SGB I § 16 Rdnr. 5; Wahrendorf, in: Gies/Kramer (Herausgeber) Sozialgesetzbuch I und X, Loseblattsammlung, 9. Lieferung 1993, I § 16 Randnr. 5).

Der Sozialtarifvertrag ist nach der Rechtsänderung abgeschlossen worden. Er verweist nicht auf die alte Rechtslage. Daraus ist zu folgern, daß die Anspruchsvoraussetzungen des neuen Rentenrechts maßgeblich sein sollen.

Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß auch der Sozialtarifvertrag selbst in § 2 Abs. 7 die Stellung eines Rentenantrages nicht voraussetzt. Nach dem Sinn eines Tarifvertrags soll derjenige keine oder nur eine verringerte Abfindung beanspruchen können, keine anderweitige Existenzsicherung erlangt hat oder – wie die Klägerin – erlangen könnte. So entfällt beispielsweise die Abfind...

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