Entscheidungsstichwort (Thema)

Festsetzung eines Mehrwerts für einen Vergleich im Verfahren zur Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Verfahren zur Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren kann kein Mehrwert für einen Vergleich festgesetzt werden.

2. Ansprüche auf Mutterschutzlohn und auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld können wegen wirtschaftlicher Identität mit einem Kündigungsschutzantrag bei der Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühr nicht zu berücksichtigen sein.

3. Ansprüche auf Herausgabe der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung oder der Mitteilung des Inhalts der Meldung zur Sozialversicherung sind vermögensrechtlicher Natur und bei der Wertfestsetzung für die Gerichtssgebühr mit 10 % des Bruttomonatsgehalts des Arbeitnehmers zu bewerten [Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung des SächsLAG, Beschluss 19.1.2015, 4 Ta 256/15(5)]

 

Normenkette

RVG § 63 Abs. 2; GKG § 32 Abs. 1, § 63 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Leipzig (Entscheidung vom 19.04.2022; Aktenzeichen 13 Ca 2485/20)

 

Tenor

  1. Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Leipzig vom 19.4.2022 in der Fassung der Teilabhilfeentscheidung vom 29.4.2022 abgeändert.
  2. Der für die Festsetzung der Gerichtsgebühr maßgebliche Streitwert wird unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen auf 50.554,48 € festgesetzt.
  3. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts wird aufgehoben. Das Verfahren wird zur Entscheidung über den Antrag der Klägervertreterin vom 29.4.2022 auf Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.
 

Gründe

I.

Der Klägerin stand nach dem mit der Beklagten geschlossenen Anstellungsvertrag vom 14.9./25.9.2017 und der zweiten Änderung zum Anstellungsvertrag vom 16.10./26.11.2018 ein Bruttolohn von 3.300,00 € monatlich zuzüglich einer mit dem Novembergehalt auszuzahlenden, jährlichen Provision zu, die zuletzt 3.873,00 € betrug. In der Hauptsache wandte sich die Klägerin gegen betriebsbedingte Kündigungen Ihres Arbeitsverhältnisses vom 31.8.2020 zum 31.10.2020 sowie vom 30.11.2020 zum 31.1.2021. Neben den Kündigungsschutzanträgen begehrte die Klägerin mit zuletzt insgesamt 28 Klageanträgen die Zahlung von Urlaubsentgelt, Entgeltfortzahlung, Mutterschutzlohn, Zuschuss zum Mutterschaftsgeld sowie Annahmeverzugslohn bis einschließlich November 2021, die Erteilung eines Zwischenzeugnisses, ferner Schadensersatz wegen Diskriminierung und die Herausgabe verschiedener Arbeitspapiere. Soweit die auf Zahlung gerichteten Klageanträge rechtlich vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängen, wurden sie hilfsweise geltend gemacht. Für den Fall der Abweisung ihrer Kündigungsschutzklagen beantragte die Klägerin zusätzlich die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses.

Der Berechnung ihrer Zahlungsanträge legte die Klägerin ein Bruttomonatsgehalt von 3.622,75 € zugrunde, das sie aus der Addition des Bruttomonatsgehaltes von 3.300,00 € und einem Zwölftel der mit dem Arbeitsentgelt für November 2018 ausgezahlten, in der Entgeltabrechnung als "Bonus einmalig" ausgewiesenen Provision von 3.873,00 € errechnete.

Die Beklagte stellte die Unwirksamkeit der Kündigung vom 31.8.2020 im Prozess unstreitig und leistete Nachzahlungen auf die bis zum 31.01.2021 fällig gewordenen und eingeklagten Ansprüche. Die Nachzahlungen berechnete sie auf Basis des Bruttomonatsgehalts von 3.300,00 €, ohne die nach der zweiten Änderung zum Anstellungsvertrag vom 6.10./26.11.2018 geschuldete Provision zu berücksichtigen.

Die Klägerin änderte ihre Klageanträge während des Hauptsacheverfahrens durch Teilerledigterklärungen mehrfach ab, hielt aber an ihrer Auffassung fest, der jährliche "Bonus" sei bei der Ermittlung der Höhe der Forderungen anteilig zu berücksichtigen. Wegen der Anträge und deren Änderungen im Einzelnen wird auf die Klageschrift vom 21.9.2020 sowie die klägerischen Schriftsätze vom 21.10.2020, 21.12.2020, 16.3.2021, 17.6.2021 sowie 4.3.2022 Bezug genommen.

Das Verfahren endete durch einen am 16.3.2022 abgeschlossenen Prozessvergleich, nach dem das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.11.2020 mit Ablauf des 30.9.2022 beendet und bis dahin auf Grundlage einer Bruttomonatsvergütung von 3.622,75 € abgerechnet wird. Wegen der weiteren Regelungen des Vergleichs wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 16.3.2022 verwiesen.

Auf Antrag der beschwerdeführenden Prozessbevollmächtigten der Klägerin setzte das Arbeitsgericht den Streitwert durch Beschluss vom 19.4.2022 auf Grundlage von § 32 RVG, 63 Abs. 2 GKG auf 45.000,00 € fest. Der Beschluss wurde Klägerin, Klägervertreterin, Beklagter und Beklagtenvertreter bekanntgegeben. Er ist mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, nach der alle Beteiligten binnen sechs Monaten nach Erledigung der Hauptsache Beschwerde einlegen können.

Mit Beschwerdeschrift vom 29.4.2022 beantragte die Beschwerdeführerin, den Wert für das Verfahren auf 58.577,11...

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