Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnungsgesuch. prozessuale Überholung. unaufschiebbare Amtshandlung. Wartepflicht(-verletzung)

 

Leitsatz (amtlich)

Die vom Gericht gewählte Verfahrensweise nach § 47 Abs. 2 ZPO erlaubt eine Endentscheidung grundsätzlich erst nach Bescheidung des Ablehnungsgesuchs. Jenes erledigt sich nicht ausnahmslos, wenn es gleichwohl zu einer Endentscheidung kommt.

 

Orientierungssatz

Ablehnungsgesuch/prozessuale Überholung/Unaufschiebbare Amtshandlungen/Wartepflicht(-verletzung)

 

Normenkette

ZPO § 42 Abs. 2, § 47 Abs. 2

 

Tenor

Das den Vorsitzenden der 3. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts – Herrn Richter am Arbeitsgericht … – betreffende Ablehnungsgesuch des Berufungsklägers vom 28. Mai 2010 wird für unbegründet erklärt.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien streiten in dem Berufungsverfahren darüber, wie der Kläger zu beschäftigen ist.

Die Berufungsverhandlung vom 28. Mai 2010 in dem Verfahren vorstehenden Rubrums nahm unter dem Vorsitzenden der 3. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts – Herrn Richter am Arbeitsgericht … – nach Antragstellung u. a. folgenden aus der Niederschrift über jenen Termin ersichtlichen Verlauf:

„Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten erklärt, dass sie dem Antrag des Klägers auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens nicht zustimme.

Der Vorsitzende weist die Parteien darauf hin, dass ihm die Entscheidung des Sächsischen Landesarbeitsgerichts zum Az. 2 Sa 567/08 vorliegt.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wünscht Folgendes zu Protokoll zu nehmen:

Bei dem Vortrag des Sachverhalts stützt sich der Vorsitzende auf eine schriftliche Unterlage. Auf Nachfrage des Prozessbevollmächtigten des Klägers teilt der Vorsitzende mit, dass es sich dabei um eine anonymisierte Fassung des Urteils des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 19.06.2009 zum Az. 2 Sa 567/08 handelt.

Der Vorsitzende erklärt, dass er nicht bereit ist, das Vorstehende zu Protokoll zu nehmen.

Daraufhin erklärt der Prozessbevollmächtigte des Klägers, dass er den Vorsitzenden wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehne.

Der Vorsitzende weist auf § 47 Abs. 2 ZPO hin.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt, seinen weitergehenden Vortrag zur Begründung des Ablehnungsgesuchs zu Protokoll zu nehmen.

Dies lehnt der Vorsitzende mit dem Hinweis ab, dass dies im Rahmen der Begründung des Ablehnungsgesuchs im schriftlichen Verfahren erfolgen kann.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt, die Sitzung für zehn Minuten zu unterbrechen. Diesem Wunsch wird stattgegeben.

Die Sitzung wird für zehn Minuten unterbrochen.

Nach Unterbrechung wird die Sitzung mit den o. g. Anwesenden fortgesetzt.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers reicht eine schriftliche Erklärung zum Befangenheitsantrag zur Gerichtsakte.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers bittet darum, zunächst über den Befangenheitsantrag zu entscheiden.

Der Vorsitzende weist darauf hin, dass aufgrund seiner Feststellung während der Unterbrechung der zuständige Richter … derzeit nicht erreichbar ist. Vor diesem Hintergrund beabsichtigt die Kammer, gemäß § 47 Abs. 2 ZPO zu verfahren.

Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten erklärt, dass das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 19.06.2009 durch die Beklagte bereits als Anlage B 7(Bl. 103 ff. d. A.) zur Gerichtsakte gereicht worden ist.”

Begründet ist das Befangenheitsgesuch wie folgt:

„Ich gebe Folgendes zu Protokoll:

In der Sitzung des LAG vom 28.05.10 im Verfahren 3 Sa 666/09 las der Vorsitzende Teile des Sachverhalts aus einer schriftlichen Unterlage vor. Ich fragte ihn, welches Schriftstück das sei. Er teilte mit, es sei eine anonymisierte Fassung des Urteils des LAG vom Verfahren 2 Sa 567/08, die er sich intern beschafft habe. Es seiihm bekannt, dass dies das Urteil im Verfahren gegen den Kläger sei.

Ich habe diese heimliche Beschaffung des Urteils gerügt und als unfair bezeichnet.Ich bat mehrfach darum, diesen Vorgang zu Protokoll zu nehmen.

Das lehnte der Vorsitzende ab.

Darauf bat ich, diesen Vorgang der Ablehnung zu Protokoll zu nehmen.

Daraufhin sagte der Vorsitzende in aufgeregtem und unwirschen Ton: „Ich nehmejetzt gar nichts mehr zu Protokoll!”

Daraufhin habe ich den Vorsitzenden wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und gebeten, dies zu Protokoll zu nehmen.

Daraufhin hat der Vorsitzende das jeweilige protokolliert, was jetzt im Protokollsteht (12.00).

Ich habe daraufhin diese Verkürzung ebenfalls gerügt und um Pause gebeten, um den vorliegenden Text schreiben zu können.”

Am Ende des Sitzungstages verkündete der Vorsitzende in Anwesenheit der ehrenamtlichen Richter das – die Berufung zurückweisende – Endurteil. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Zum Befangenheitsgesuch verhält sich die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters wie folgt:

„Es ist zutreffend, dass ich bei der Einführung in den Sach- und Streitstand eine anonymisierte Fassung des Urteils des Verfahrens 2 Sa 567/08 zur Hilfe genommen habe, die ich mir aus der Entscheidungssammlung „Edgar” des SächsLAG ausgedruckt habe. Von einer...

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