Leitsatz (amtlich)

1. Eine Widerrufsbelehrung, die sich hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs auf den Hinweis beschränkt, dass in diesem Fall der Versicherungsschutz endet und der Versicherer einen ggf. vorhandenen Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 VVG unverzüglich, spätestens 30 Tage nach Zugang des Widerrufs erstattet, ohne sich auch zu einer etwaigen Prämienerstattungspflicht zu verhalten, genügt den gesetzlichen Anforderungen, wenn der Versicherungsnehmer dem Beginn des Versicherungsschutzes vor Ablauf der Widerrufsfrist nicht zugestimmt hatte und nach der vertraglichen Gestaltung im konkreten Fall vor Ablauf der Widerrufsfrist keine Beiträge zu entrichten waren, die einer Rückabwicklung unterliegen könnten.

2. Der Grundsatz, wonach ein Teilurteil nur erlassen werden darf, wenn die Gefahr widersprechender Entscheidungen, auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht, ausgeschlossen ist, hindert es nicht, zugleich auf die Unzulässigkeit einer den Fortbestand des Versicherungsvertrages betreffenden Zwischenfeststellungsklage und auf die Unbegründetheit eines mittels Stufenklage geltend gemachten Auskunftsanspruchs zu erkennen.

 

Normenkette

BGB §§ 346, 357; VVG §§ 8-9, 152; ZPO §§ 254, 256 Abs. 2, §§ 260, 301

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 07.07.2022; Aktenzeichen 14 O 63/21)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das am 7. Juli 2022 verkündete Teil-Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 63/21 - wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Klageantrag Ziff. 1), mit dem die Feststellung begehrt wurde, dass dem Vertrag mit der Nummer ... wirksam widersprochen wurde, als unbegründet abgewiesen wird.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 125.000,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Ansprüche aus der Rückabwicklung eines privaten Rentenversicherungsvertrages. Der Kläger schloss im Jahre 2009 bei der - seinerzeit unter "... Lebensversicherung AG" firmierenden - Beklagten einen Versicherungsvertrag über eine "... Privat Rente klassik" mit garantierter Mindestrente ab; der Versicherungsschein Nr. ... (Anlage DB3) wurde von der Beklagten am 1. September 2009 im sog. "Point-of-Sale-Verfahren" ausgefertigt und trägt den Post-Tagesstempel dieses Tages. Versicherungsbeginn war danach am 1. Oktober 2009, Beitragszahlungsende sowie Rentenbeginn jeweils am 1. Oktober 2025, Bestandteil des Vertrages waren die Allgemeinen Bedingungen für Lebensversicherungen mit Orientierung Altersvorsorge (Rentenversicherung, Fondsgebundene Rentenversicherung bzw. Sofortbeginnende Rentenversicherung = Anlage BLD1), die monatliche Prämie belief sich zu Beginn auf 1.000,- Euro bei vereinbarter Dynamik.

Der auf Seite 3, 4 und 5 vom Kläger jeweils gesondert unterzeichnete Versicherungsschein enthielt auf Seite 4 in einem gesonderten Abschnitt folgende (fett gedruckte) Belehrung:

Widerrufsrecht

Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 30 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt am Tag, nachdem Ihnen der Versicherungsschein, die Vertragsbestimmungen einschließlich unserer Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie die Vertragsinformationen gemäß § 7 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes und diese Belehrung in Textform zugegangen sind. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an die ... Lebensversicherung AG, 4... (Fax: 02103 349535, E-Mail: info@...-versicherung.de).

Widerrufsfolgen

Im Falle eines wirksamen Widerrufs endet der Versicherungsschutz und wir erstatten Ihnen gegebenenfalls vorhandenen Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile nach § 169 des Versicherungsvertragsgesetzes. Die Erstattung erfolgt unverzüglich, spätestens 30 Tage nach Zugang des Widerrufs.

Ebenfalls auf Seite 4 fand sich oberhalb der Unterschriftenzeile ein Zusatz, wonach der Kläger bestätigte, folgende Unterlagen erhalten zu haben: "Das Produktinformationsblatt, die Wertetabelle, die Versicherungsbedingungen sowie Verbraucherinformationen und das Merkblatt zur Datenverarbeitung".

Mit Schreiben vom 16. Juni 2020 erklärte der Kläger (wörtlich), dass er dem Vertrag "ab Vertragsbeginn" ... "widerspreche", weil er "keine (korrekte) Belehrung über das Widerspruchsrecht erhalten" habe, und er bat um Rückzahlung der eingezahlten Beiträge zzgl. Zinsen und abzüglich der Kosten für den Versicherungsschutz. Das Schreiben enthielt den Zusatz, dass es sich um einen "Widerspruch" und nicht um eine "Kündigung" des Vertrages han...

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