Leitsatz (amtlich)

1. In Fällen eigenmächtigen Vorbringens eines Kindes durch einen Elternteil aus seinem bisherigen Lebenskreis in eine neue Umgebung ist ein sorgerechtliches Eilverfahren besonders zu beschleunigen, um zu verhindern, dass der eigenmächtig handelnde Elternteil aus einer sonst dadurch entstehenden, von ihm ertrotzten Kontinuität ungerechtfertigte Vorteile ziehen und dem anderen Ehegatten allein dadurch effektiver Rechtsschutz versagt bleiben kann.

2. Tritt in solchen Fällen im Laufe des Eilverfahrens ein Zielkonflikt zwischen dem Erfordernis besonderer Beschleunigung des Verfahrens einerseits und einer eigenständigen Interessenvertretung des Kindes andererseits auf, so kann im Eilverfahren von der Bestellung eines Verfahrensbeistandes abgesehen werden, wenn ansonsten eine Verfahrensverzögerung zu befürchten ist.

 

Verfahrensgang

AG Saarbrücken (Beschluss vom 08.04.2011; Aktenzeichen 40 F 120/11 EASO)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - in Saarbrücken vom 8.4.2011 - 40 F 120/11 EASO - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Der Verfahrenswert für die Beschwerdeinstanz wird auf 1.500 EUR festgesetzt.

3. Dem Antragsgegner wird mit Wirkung vom 23.5.2011 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwältin, bewilligt.

4. Der Antragstellerin wird die von ihr für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe verweigert.

 

Gründe

I. Aus der am 15.11.1994 geschlossenen Ehe der Mutter und des Vaters sind die drei betroffenen Kinder, geboren am 18.2.1996, geboren am 14.11.1998, und geboren am 31.3.2002, hervorgegangen. Die Familie hat zusammen in ... gelebt, wo auch die Eltern des Vaters leben, die in die Betreuung der Kinder eingebunden gewesen sind. Am 23.2.2011 hat sich die Mutter vom Vater getrennt und ist unter Mitnahme aller drei Kinder ins Saarland gezogen.

Im vorliegenden, durch am 12.3.2011 beim Familiengericht eingegangenen Eilantrag der Mutter eingeleiteten Verfahren, das von dort am 16.3.2011 an das Familiengericht Saarbrücken abgegeben und von diesem übernommen worden ist, hat die Mutter die vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die drei Kinder durch Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt. Der Vater hat Widerantrag auf vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für alle drei Kinder auf sich gestellt.

Im Termin vom 8.4.2011 hat das Familiengericht die Eltern, alle drei Kinder und die Sachbearbeiterin des Jugendamts des Regionalverbandes Saarbrücken persönlich angehört. Im Anschluss daran hat es durch den angefochtenen Beschluss vom selben Tage - vom Jugendamt ausdrücklich gebilligt - dem Vater im Wege einstweiliger Anordnung einstweilen das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die drei Kinder übertragen. Aufgrund dessen sind und inzwischen zum Vater zurückgekehrt, während bislang bei der Mutter geblieben ist.

Mit ihrer gegen die einstweilige Anordnung gerichteten Beschwerde verfolgt die Mutter ihren erstinstanzlichen Antrag weiter. Der Vater bittet - von sinngemäß unterstützt - um Zurückweisung der Beschwerde. Das angehörte Jugendamt des Regionalverbandes Saarbrücken hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Beide Eltern suchen um Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nach.

Dem Senat haben die Akten des laufenden Hauptsacheverfahrens 40 F 121/11 SO sowie die Akten 40 F 112/11 SO und 40 F 111/11 EASO des Familiengerichts Saarbrücken vorgelegen.

II. Die nach §§ 57 S. 2 Nr. 1, 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Mutter bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Die auf der Grundlage eines beanstandungsfreien Verfahrens getroffene Entscheidung des Familiengerichts, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für alle drei Kinder vorläufig dem Vater zu übertragen, ist nicht zu beanstanden und findet die Billigung des Senats.

Unangefochten und rechtsbedenkenfrei hat sich das Familiengericht - dessen örtliche Zuständigkeit der Senat wegen § 65 Abs. 4 FamFG nicht zu überprüfen hat - veranlasst gesehen, die gemeinsame elterliche Sorge der Eltern nur im Teilbereich der Aufenthaltsbestimmung für die Kinder vorläufig aufzuheben und es ansonsten bei der gemeinsamen elterlichen Sorge zu belassen. Auch gegen die von den Beteiligten nicht in Frage gestellte Annahme des Familiengerichts, dass in Bezug auf jenen Teilbereich ein Anordnungsgrund besteht, ist nichts zu erinnern, nachdem der Aufenthalt der Kinder zwischen den Eltern streitig ist und daher dringend einer Regelung bedarf, andernfalls eine nachteilige Beeinträchtigung des Kindeswohl ernsthaft zu befürchten wäre (§ 49 Abs. 1 FamFG; OLG Saarbrücken vom 30.9.2010 - 6 UF 86/10 -, JAmt 2011, 49 m.w.N.).

Der von dieser Vorschrift weiter vorausgesetzte Anordnungsanspruch des Vaters ist gegeben; denn es dient dem Wohle der Kinder vorläufig - jedenfalls bis zur Entscheidung des laufenden Hauptsacheverfahrens - besser, wenn der Vater über ihren Aufenthalt bestimmen darf.

Diesbezüglich macht sich der Sen...

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