Leitsatz (amtlich)

1. Nimmt ein Elternteil ohne Zustimmung des anderen das Kind in der ersten Phase der räumlichen Trennung der Eltern spontan aus seinem bisherigen Lebenskreis mit dem Ziel seiner dauerhaften Verbringung in eine neue Umgebung heraus, so dient dies häufig nicht dem Wohl des Kindes. Solch eigenmächtiges Verhalten ist auch schon im einstweiligen Anordnungsverfahren gewichtig im Rahmen der Beurteilung der Erziehungseignung dieses Elternteils zu berücksichtigen. In Fällen eigenmächtigen Verbringens ist das Eilverfahren besonders zu beschleunigen, um zu verhindern, dass der eigenmächtig handelnde Elternteil aus der von ihm ertrotzen Kontinuität ungerechtfertigte Vorteile ziehen kann (Anschluss an BVerfG, FamRZ 2009, 189).

2. Eine erforderliche Bestellung des Verfahrensbeistandes muss so frühzeitig (§ 158 Abs. 3 S. 1 FamFG) erfolgen, dass dieser noch auf das Verfahren Einfluss nehmen kann (Anschluss an BGH, Beschl. v. 16.3.2011 - XI ZB 407/10).

 

Verfahrensgang

AG Saarlouis (Beschluss vom 15.02.2011; Aktenzeichen 20 F 4/11 EASO)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - in Saarlouis vom 15.2.2011 - 20 F 4/11 EASO - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Der Verfahrenswert für die Beschwerdeinstanz wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

3. Dem Antragsteller und der Antragsgegnerin wird die jeweils von ihnen für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe verweigert.

 

Gründe

Aus der Verbindung der Mutter und des Vaters, die nicht miteinander verheiratet waren oder sind, ist am ... Dezember 2007 der verfahrensbetroffene Sohn N. hervorgegangen, für den der Vater die Vaterschaft anerkannt und die Eltern Sorgeerklärungen abgegeben haben. Die Familie hat zusammen in B. gelebt. Kurz vor Weihnachten 2010 hat sich die Mutter vom Vater getrennt und ist unter zwischen den Eltern streitigen Umständen mit N. nach S. gezogen.

Mit am 7.1.2011 beim Familiengericht eingegangenem Eilantrag hat der Vaters die Übertragung der Alleinsorge, hilfsweise des Aufenthaltsbestimmungsrechts begehrt. Die Mutter hat auf Zurückweisung des Antrags angetragen.

Durch die angefochtene, der Mutter am 17.2.2011 zugestellte einstweilige Anordnung vom 15.2.2011, auf die Bezug genommen wird, hat das Familiengericht dem Vater nach mündlicher Anhörung der Eltern und des Kindes und Einholung eines Jugendamtsberichts das Aufenthaltsbestimmungsrecht für N. übertragen, der Mutter dessen - zwischenzeitlich erfolgte - Herausgabe an den Vater aufgegeben und dem Kind einen Verfahrensbeistand bestellt.

Die gegen diesen Beschluss gerichtete, am 1.3.2011 beim Familiengericht eingegangene Beschwerde, mit der die Mutter die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich und die Herausgabe des Kindes an sich erstrebt und um deren Zurückweisung der Vater und der Verfahrensbeistand bitten, ist nach §§ 57 S. 2 Nr. 1 u. 2, 58 ff. FamFG zulässig, in der Sache aber unbegründet.

Die Entscheidung des Familiengerichts, das Aufenthaltsbestimmungsrecht vorläufig dem Vater zu übertragen, hält den Beschwerdeangriffen der Mutter stand.

Schon aus Rechtsgründen ohne Erfolg bekämpft diese die Auffassung des Familiengerichts, für die Bescheidung der Sache örtlich zuständig zu sein; eine Überprüfung dessen ist dem Senat wegen § 65 Abs. 4 FamFG verschlossen.

Unangefochten und rechtsbedenkenfrei hat sich das Familiengericht veranlasst gesehen, die gemeinsame elterliche Sorge der Eltern nur im Bereich der Aufenthaltsbestimmung für das Kind vorläufig aufzuheben und es ansonsten bei der gemeinsamen elterlichen Sorge zu belassen. Auch gegen die von den Beteiligten nicht beanstandete Annahme des Familiengerichts, dass in Bezug auf jenen Teilbereich der elterlichen Sorge ein Anordnungsgrund besteht, ist nichts zu erinnern, nachdem der Aufenthalt des Kindes zwischen den Eltern streitig ist und dieser aus Kindeswohlgründen dringend einer Regelung bedarf (§ 49 Abs. 1 FamFG).

Der von dieser Vorschrift weiter vorausgesetzte Anordnungsanspruch ist gegeben; denn es dient dem Wohle N. vorläufig besser, wenn er seinen Aufenthalt jedenfalls bis zur Erstellung des im Hauptsacheverfahren 20 F 32/11 SO eingeholten Sachverständigengutachtens beim Vater hat.

Bei seiner - zutreffend und insoweit unangegriffen auf § 1671 (Abs. 1 und) Abs. 2 Nr. 2 BGB gegründeten - Entscheidung hat sich das Familiengericht im Wesentlichen davon leiten lassen, dass N. bis zur Trennung der Eltern seinen gewöhnlichen Aufenthalt in deren Wohnung in B. gehabt habe, in der der Vater wohnen geblieben sei. Dort sei N. sozial integriert gewesen und habe den örtlichen Kindergarten besucht. Durch den mangels Zustimmung des Vaters eigenmächtigen Wechsel des Aufenthalts des Kindes durch die Mutter habe diese kindeswohlwidrig gehandelt und versucht, faktische Verhältnisse zu schaffen. Durch die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater kehre das Kind in seine gewohnte Umgebung zurück und kehre bis zur Erstellung des im Hauptsacheverfahren eingeholten Sachverständ...

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