Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrsordnungswidrigkeit

 

Verfahrensgang

AG Saarlouis (Urteil vom 30.06.2010; Aktenzeichen 6 OWi 37/10)

StA Saarbrücken (Aktenzeichen 60 Js 1392/09)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Saarlouis vom 30. Juni 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Saarlouis zurückverwiesen.

 

Gründe

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreidung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 47 km/h eine Geldbuße von 160 Euro festgesetzt und ein Fahrverbot von 1 Monat verhängt.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerde rügt der Verteidiger des Betroffenen die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Dem Rechtsmittel konnte der Erfolg schon aus den von der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 9. Dezember 2010 genannten Gründen nicht versagt bleiben. Danach gilt Folgendes:

Die Rechtsbeschwerde führt schon auf die erhobene Verfahrensrüge hin zu einem (vorläufigen) Erfolg.

Der Betroffene rügt zu Recht und in der erforderlichen Form des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, das erkennende Gericht habe seine Oberzeugung nicht ausschließlich aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung gewonnen und somit gegen § 261 StPO verstoßen.

Die Rüge ist in zulässiger Weise ausgeführt, denn aus dem gesamten Rügevorbringen ergibt sich zweifelsfrei die Behauptung, dass der OWi-Beleg, die Messskizze, der Eichschein, das Messprotokoll und das Kontrollblatt nicht auf andere Weise als durch Augenschein in die Verhandlung eingeführt worden sind.

1. Das erkennende Gericht hat in den Urteilsfeststellungen und in der Beweiswürdigung für seine Überzeugungsbildung auf den Eichschein sowie das Messprotokoll und das Kontrollblatt zum Messprotokoll zurückgegriffen.

Auch in Bußgeldverfahren wird die Beweisaufnahme grundsätzlich nur in der Hauptverhandlung nach den Regeln des Strengbeweises durchgeführt. Das Strengbeweisverfahren gebietet, das Strengbeweismittel ausschließlich in der jeweils vom Gesetz vorgeschriebenen Form in das Verfahren eingeführt und verwertet werden dürfen.

Diese Formvorschriften finden sich in den in Bußgeldverfahren entsprechend anzuwendenden §§ 249 bis 254 und 256 StPO, welche teilweise ersetzt und teilweise ergänzt werden durch die Vorschriften der §§ 74 Abs. 1, 77 a, 78 Abs. 1 OWiG (KK-Senge, OWiG, 2. Aufl. § 71 Rdn. 75).

Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls (Bl. 53-59 d.A.) vom 30.06.2010, dem gemäß § 274 StPO im Hinblick auf die wesentlichen Förmlichkeiten der Verlesung einer Urkunde und der Augenscheineinnahmen auch eine negative Beweiskraft zukommt (BGH, wistra 1992, 30) ist belegt, dass der OWi-Beleg, die Messskizze, der Eichschein, das Messprotokoll und das Kontrollblatt in Augenschein genommen worden sind; eine Verlesung des Eichscheins sowie der maßgeblichen Angaben zur Geschwindigkeitsüberschreitung auf dem Kontrollblatt Nr. 1 zum Messprotokoll jedoch nicht erfolgte. Es ist aus dem Protokoll auch nicht erkennbar, dass das erkennende Gericht durch die Bekanntgabe des wesentlichen Inhalts nach § 78 Abs. 1 OWiG die Beweismittel ordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt hätte. Weiter ergibt sich aus dem Protokoll der Hauptverhandlung auch nicht, dass das Amtsgericht die Beweismittel im Wege des Vorhalts in die Hauptverhandlung eingeführt hätte.

Lediglich hinsichtlich der Frage, ob die Geschwindigkeitsmessung des vom Betroffenen geführten Fahrzeuges im ankommenden oder abfließenden Verkehr in Fahrtrichtung N. erfolgte, lassen die Urteilsgründe erkennen, dass die insoweit im Messprotokoll enthaltenen Angaben im Wege des Vorhalts in die Hauptverhandlung eingeführt worden sein dürften.

Die im Übrigen ausschließlich erfolgte Augenscheineinnahme der Urkunden war keine zureichende Beweiserhebung, weil dies nur dann gegeben ist, wenn es nicht auf den Inhalt der Urkunde, sondern nur auf deren Vorhandensein oder den Zustand ankommt (BGH, NStZ-RR 1999, 37), Demgegenüber kann der durch Schrift dokumentierte Inhalt einer Urkunde nur durch Verlesung nach §§ 249 ff. StPO bzw. nach § 78 Abs. 1 OWiG in die Hauptverhandlung eingeführt werden (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 17.10.2007 - 1 Ss 252/07, zit. nach juris).

2. Der danach zulässigen Verfahrensrüge ist nicht dadurch die Grundlage entzogen, dass das Gericht eine Protokollberichtigung vorgenommen hat, denn diese ist ihrerseits nicht verfahrensordnungsgemäß zustande gekommen.

a) Nachdem der Verteidiger, mit Schriftsatz vom 13.09.2010 unter anderem die vorgenannte Verfahrensrüge erhoben hatte, wurde seitens des erkennenden Gerichts am 16.09.2010 das Protokoll wie folgt berichtigt:

1. Folgende Urkunden wurden durch Verlesen in das Verfahren eingeführt und zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht

- OWi-Beleg 81.2 d.A.

- Skizze Bl. 5

- Eichschein Bl. 8 ff. d.A.

- Messp...

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