Leitsatz (amtlich)

Der Senat schließt sich der in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung an, wonach es für die Frage einer Gebührenermäßigung gem. Nr. 1211 KV a.F. nicht entscheidend ist, ob das eine Gebührenermäßigung hindernde vorangegangene Gerichtsurteil nur einen Teil des Streitgegenstandes betrifft oder den gesamten Streitgegenstand. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der bei Erlass des Urteils bereits anhängigen Teile des Streitgegenstandes, sondern auch in Bezug auf solche, die erst nach Erlass des Urteils durch Klageerweiterung in den Rechtsstreit einbezogen wurden.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Beschluss vom 20.02.2008; Aktenzeichen 6 O 277/02)

 

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Mit am 1.8.2002 eingereichtem Schriftsatz erhob die Klägerin gegen die Beklagte Klage auf Zahlung rückständigen Pachtzinses i.H.v. 49.695,50 EUR - nebst Zinsen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und mit am 25.10.2002 eingereichtem Schriftsatz Widerklage auf Zahlung von 197.715,65 EUR - nebst Zinsen - sowie auf Herstellung eines im Einzelnen näher umschriebenen Schallschutzes in einer bestimmten Gaststätte erhoben. Die Klägerin hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Durch Grundurteil vom 12.9.2003 hat das LG den Widerklageantrag auf Herstellung des Schallschutzes dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Durch Urteil des Saarländischen OLG vom 22.4.2004 wurde die Widerklage auf Herstellung des Schallschutzes unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. Die diesbezügliche Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BGH durch Beschluss vom 14.12.2005 zurückgewiesen.

Mit am 4.9.2006 eingereichtem Schriftsatz erweiterte die Klägerin ihre Klage und verlangte nunmehr Zahlung von 656.267,26 EUR - nebst Zinsen. Die Beklagte beantragte auch insoweit, die Klage abzuweisen.

Die Parteien schlossen danach zur Erledigung des Rechtsstreits einen Vergleich, der durch Beschluss des LG vom 3.4.2007 in der Form der Berichtigung vom 2.5.2007 festgestellt worden ist und in dem die Kosten der zwischen den Parteien geführten Rechtsstreitigkeiten einschließlich des Vergleichs gegeneinander aufgehoben worden sind. Mit Beschluss vom 10.7.2007 hat das LG den Streitwert bezüglich "des Streitgegenstandes" auf 1.003.982,91 EUR festgesetzt. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der Klagesumme i.H.v. 656.267,26 EUR, dem Zahlungsantrag der Widerklage i.H.v. 197.715,65 EUR sowie dem Antrag auf Herstellung des Schallschutzes, der mit 150.000 EUR bewertet worden ist.

Auf der Grundlage dieser Wertfestsetzung hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle in der angefochtenen Kostenrechnung drei Verfahrensgebühren i.H.v. insgesamt 13.818 EUR in Ansatz gebracht. Hiergegen hat die Klägerin "Beschwerde" eingelegt; sie hat die Auffassung vertreten, dass nicht drei Gebühren aus einem Streitwert von 1.003.982 EUR angefallen seien, denn ein Urteil sei nur bezüglich des auf Herstellung des Schallschutzes gerichteten und mit 150.000 EUR zu bewertenden Widerklageantrags zu 2) ergangen, und dies zu einem Zeitpunkt, als die Klageerweiterung noch nicht einmal anhängig gewesen sei. Es könnten daher keine Urteilsgebühren aus einem bis dahin noch gar nicht rechtshängigen Streitgegenstand angefallen sein. Mit gleicher Begründung legte die Beklagte sofortige Beschwerde ein. Das LG hat die Rechtsmittel der Parteien als gegen die Kostenrechnung IV gerichtete Erinnerungen angesehen und zurückgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin Beschwerde eingelegt, der das LG nicht abgeholfen hat.

II. Die nach § 5 GKG a.F. (vgl. BGH, MDR 2007, 115) zulässige Beschwerde der Klägerin ist unbegründet.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat zu Recht drei Gerichtsgebühren aus einem Streitwert von 1.003.982,91 EUR in Ansatz gebracht. Nach Nr. 1210 KV a.F. zu § 11 GKG a.F. fallen für das erstinstanzliche Verfahren im Allgemeinen 3,0 Gerichtsgebühren an. Nach Nr. 1211 KV a.F. ermäßigt sich "die Gebühr 1210" auf 1,0, wenn das Verfahren durch Abschluss eines Vergleichs vor Gericht beendet wird, sofern nicht bereits ein sonstiges Urteil vorausgegangen ist. Ein solches Urteil liegt hier vor, nachdem über den auf Herstellung des Schallschutzes gerichteten Widerklageantrag ein Grundurteil erlassen worden war. Damit kommt eine Ermäßigung der Gerichtsgebühren nicht mehr in Betracht.

Dies gilt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nur hinsichtlich der bei Erlass des Urteils bereits anhängigen Teile des Streitgegenstandes, sondern auch in Bezug auf solche, die erst nach Erlass des Urteils durch Klageerweiterung in den Rechtsstreit einbezogen wurden. Nach der Rechtsprechung wird die Auffassung vertreten, es sei nicht entscheidend, ob das eine Gebührenermäßigung hindernde vorangegangene Gerichtsurteil nur einen Teil des Streitgegenstandes betrifft oder den gesamten Streitgegenstand. Der Wortlaut der Vorschrift enthalte eine diesbezügliche Differenzierung nicht und nach dem Sinn und Zweck der ...

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