Leitsatz (amtlich)

Die Gebühr Nr. 1201 KV GKG a.F. ermäßigt sich hinsichtlich einer Klage nicht nach Nr. 1202c) KV GKG a.F., wenn durch den Abschluss eines Vergleichs nur die Klage, nicht die Widerklage beendigt wird

 

Normenkette

GKG § 11 Abs. 1; KV-GKG § Nr. 1201

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Aktenzeichen 13 O 188/99)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Klägerin erstrebt mit der Beschwerde eine Ermäßigung der Gebühr nach Nr. 1202c) KV GKG a.F. (vgl. jetzt Nr. 1211c) KV GKG).

Sie hatte Klage auf Zahlung von 20.000.000 DM erhoben, die Beklagte hilfsweise Widerklage auf Zahlung von 2.000.000 DM. In Betreff der Klage haben die Parteien den Rechtsstreit durch einen so genannten „Zwischenvergleich” beigelegt und darin vereinbart: „Die bis zum Abschluss dieses Vergleichs entstandenen Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Über die durch die Fortsetzung des Verfahrens 13 O 188/99 wegen des von der Beklagten geltend gemachten Betrages von DM 2 Mio entstehenden Kosten und Gebühren wird in dem Schlussurteil entschieden.” Das LG hat die Klägerin rechtskräftig zur Zahlung von 2.000.000 DM verurteilt und zu den Kosten entschieden: „Die Klägerin trägt die Kosten der Widerklage, die sich nach dem Differenzwert von 20.000.000 DM zu 22.000.000 DM richten.” Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des LG hat beim Kostenansatz eine Ermäßigung der Gebühr von 3,0 auf 1,0 für die Klage mit der Begründung abgelehnt, dass nicht entsprechend Nr. 1202c) KV GKG a.F. der gesamte Rechtsstreit durch den Vergleich beendigt sei. Dagegen haben die Parteien Erinnerung eingelegt mit dem Antrag, die nach einem Streitwert von 20.000.000 DM zu bemessende Gerichtsgebühr hinsichtlich der durch den Vergleich erledigten Klage auf eine Gebühr zu ermäßigen. Der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen hat die Erinnerungen der Parteien mit dem angefochtenen Beschluss unter Bestätigung der Rechtsauffassung des Urkundsbeamten zurückgewiesen.

Die Klägerin bringt mit ihrer Beschwerde dagegen wesentlich vor, dass nach Sinn und Zweck der Nr. 1202 KV GKG a.F. Klage und Widerklage jeweils für sich das „gesamte Verfahren” darstellten. Das müsse jedenfalls dann gelten, wenn keine Befassung des Gerichts mit dem erledigten Streitgegenstand erforderlich sei. Ansonsten falle der Anreiz zum Abschluss eines Vergleichs weg. Die Vermeidung unnützen Verwaltungsaufwandes könne eine derart große Gebührenungerechtigkeit nicht rechtfertigen. Für diese Sicht spreche auch die Unabhängigkeit von Klage und Widerklage, die jeweils selbstständige Prozessrechtsverhältnisse begründeten. Sonst hätten die Parteien eine Gebührenermäßigung nur über eine Rücknahme der Widerklage und Erhebung einer dieser entsprechenden neuen Klage erreichen können. Eine allein am Wortlaut orientierte Auslegung der Nr. 1202 KV GKG a.F. begegne im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn von Verfassungs wegen müsse die Verknüpfung zwischen anfallenden Kosten und Gebühren sachgemäß sein. Für die erstrebte Gebührenermäßigung spreche schließlich auch die Kostenentscheidung des landgerichtlichen Urteils.

II. Die nach § 5 Abs. 2 S. 1 GKG zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Nach Nr. 1202c) KV GKG a.F. ermäßigt sich die Gebühr Nr. 1201 KV GKG a.F. von 3,0 auf 1,0 bei Beendigung des gesamten Verfahrens durch Abschluss eines Vergleichs vor Gericht. Daran fehlt es nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung, wenn durch den Abschluss eines Vergleichs nur die Klage, nicht die Widerklage beendigt wird. Nur beide zusammen machen das gesamte Verfahren aus. So sind ja auch die Parteien ausdrücklich von einer „Fortsetzung des Verfahrens 13 O 188/99” ausgegangen und haben nur einen „Zwischenvergleich” geschlossen.

Keiner der von der Klägerin genannten Gründe rechtfertigt nach Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck der Nr. 1202 KV GKG a.F. ein davon abweichendes Verständnis (vgl. gleichfalls eine Gebührenermäßigung verneinend: OLG Stuttgart v. 7.8.2001 – 8 W 9/01, MDR 2002, 298 m.w.N. [Rücknahme der Widerklage, Entscheidung über die Klage]; OLG Düsseldorf JurBüro 2001, 313 [Teilvergleich nach Erlass eines Versäumnisurteils und späterer Klageerweiterung]; OLG Schleswig OLGReport Schleswig 2001, 482 [Teilversäumnisurteil]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 33 Rz. 31 m.w.N.; and. Ans. im Fall der Rücknahme einer Widerklage ohne nähere Begründung: Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., Nr. 1211 KV Rz. 4).

Unrichtig ist, dass beim Abschluss eines Vergleichs eine Befassung des Gerichts mit dem erledigten Streitgegenstand nicht erforderlich sei. Vergleichsverhandlungen kann ein Gericht sinnvoll und verantwortlich nur führen, wenn es sich mit dem Streitgegenstand so befasst hat, dass es auch eine Entscheidung treffen könnte. Die Verknüpfung zwischen den für die Justiz durch die Klage ausgelösten Kosten und den von einem Kläger dafür geschuldeten Gebühren ist damit zweifellos nicht uns...

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