Rz. 19

Zur ersten Kategorie von Erben gehören die Kinder, der Ehegatte und die Eltern des Erblassers. Enkelkinder können im Rahmen des Repräsentationsprinzips ebenfalls Erben der erste Kategorie werden (vgl. Art. 1142 ZGB). Zur zweiten Kategorie von Erben gehören Brüder, Schwestern, Halbbrüder, Halbschwestern und Großeltern (sowohl väterlicher- als auch mütterlicherseits) des Erblassers. Ferner können Nichten und Neffen aufgrund des Repräsentationsprinzips ebenfalls Erben der zweiten Kategorie werden (vgl. Art. 1143 ZGB). Zur dritten Kategorie von Erben gehören Brüder, Schwestern, Halbbrüder, Halbschwestern der Eltern des Erblassers. Auch in dieser Kategorie gilt – im Gegensatz zu den folgenden Kategorien – gegebenenfalls das Repräsentationsprinzip.

 

Rz. 20

Zur vierten bis sechsten Kategorie von Erben gehören Verwandte des Erblassers im dritten bis fünften Verwandtschaftsgrad, sofern sie nicht unter die vorherigen Kategorien fallen. Dabei wird der Verwandtschaftsgrad durch die Anzahl von Geburten, die die Verwandten voneinander trennen, festgestellt. Die Geburt des Erblassers wird dabei nicht mitgezählt. Zur vierten Kategorie gehören demnach Verwandte im dritten Verwandtschaftsgrad (Urgroßeltern), zur fünften Kategorie Verwandte im vierten Verwandtschaftsgrad (Kinder von Neffen und Nichten des Erblassers) sowie Geschwister seiner Großeltern und zur sechsten Kategorie Verwandte im fünften Verwandtschaftsgrad.

 

Rz. 21

Sofern es keine Erben in den ersten sechs Kategorien von Erben gibt, erben als Erben der siebten Kategorie Stiefkinder und Stiefeltern des Erblassers.

 

Rz. 22

Eine Besonderheit – und eine achte Kategorie von Erben – sieht das russische Erbrecht bei arbeitsunfähigen Personen vor, die vom Erblasser mindestens ein Jahr lang vor seinem Tod faktisch Unterhalt bezogen haben. Um ihnen den bislang bezogenen Unterhalt im gewissen Rahmen zu sichern, werden sie zu privilegierten Erben, wobei jedoch zwei Gruppen zu unterscheiden sind:

Arbeitsunfähige Personen, die vom Erblasser Unterhalt bezogen haben und zur zweiten bis siebten Kategorie von Erben zählen: Für sie gilt die Ausschlusswirkung von Erben einer Kategorie gegenüber Erben folgender Kategorien nicht. Gemäß Art. 1148 ZGB erben sie zu gleichen Teilen mit den anderen Miterben auch dann, wenn sie in eine ausgeschlossene Kategorie fallen. Dieses gilt – im Unterschied zur zweiten Gruppe – auch dann, wenn sie nicht mit dem Erben zusammengelebt haben.
Arbeitsunfähige Personen, die vom Erblasser Unterhalt bezogen und mit dem Erblasser mindestens ein Jahr zusammengelebt haben, erben gleichberechtigt mit den Erben der jeweils zur Erbschaft berechtigten Kategorie. Dieses gilt auch dann, wenn sie mit dem Erblasser nicht verwandt sind und nicht in eine der ersten sieben Kategorien fallen.

Sofern es keine Erben der ersten bis siebten Kategorie gibt, stellen diese Erben als Erben der achten Kategorie eine eigene Kategorie dar.

 

Rz. 23

Zur Frage der Arbeitsunfähigkeit sieht das russische Erbrecht keine speziellen Regelungen vor. Somit ist dieses Merkmal anhand der allgemeinen Praxis festzustellen. Demnach zählen zu den arbeitsunfähigen Personen neben Behinderten in der ersten, zweiten und dritten Kategorie auch Personen, von denen eine Arbeitstätigkeit nicht erwartet wird: Personen im Rentenalter (Frauen über 55 Jahren und Männer über 60 Jahren), Kinder bis 16 Jahren und Jugendliche bis zum Ende ihres Studiums/ihrer Ausbildung, jedoch maximal bis zum 23. Lebensjahr. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob sie nicht doch einer Arbeit nachgehen oder nicht. Allerdings wird das Merkmal "Unterhalt vom Erblasser bezogen" so ausgelegt, dass die Unterstützungsleistungen des Erblassers eine dauerhafte und grundlegende Quelle für den Lebensunterhalt gewesen sein müssen. Wenn Einkünfte aus eigener Arbeitstätigkeit vorliegen, die zum Unterhalt der arbeitsunfähigen Person ausreichen, kann dieses u.U. zur Folge haben, dass das Merkmal "Unterhalt vom Erblasser bezogen" nicht erfüllt ist.

 

Rz. 24

Zur Frage, ob das Kriterium "mit dem Erblasser mindestens ein Jahr zusammengelebt" eine formelle Registrierung ("Propiska", "Registrazija") in der Wohnung des Erblassers erfordert, führt das Oberste Gericht der Russischen Föderation im Beschluss Nr. 8 vom 31.10.1995 aus, dass das Fehlen einer Registrierung kein Grund für die Einschränkung der Rechte der Bürger der Russischen Föderation darstellt. Somit ist das Vorliegen einer Registrierung zwar ein wichtiger Hinweis auf ein Zusammenleben, entscheidend ist jedoch, ob die Unterhalt bezogene Person faktisch die Räumlichkeiten des Erblassers genutzt hat. Eine gemeinsame Haushaltsführung wird dabei ebenfalls nicht als zwingend angesehen.

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