Leitsatz

Pauschale Kostenerstattungsansprüche können auch heute noch von Eigentümern gegen die Gemeinschaft geltend gemacht werden, die aufgrund nachträglich durch den BGH für nichtig erklärter Beschlüsse zur Änderung der Kostenverteilung im Vertrauen auf die Gültigkeit der Beschlüsse Fenstererneuerungen selbst finanziert hatten

 

Normenkette

§§ 14, 21 Abs. 4 u. 25 Abs. 5 WEG; §§ 199 Abs. 1, 242, 684, 812, 818 Abs. 2 u. 901 BGB

 

Kommentar

  1. Eigentümer hatten bereits im Jahr 1983 mehrheitlich beschlossen, dass jeder Eigentümer für die Kosten der Instandsetzung bzw. Erneuerung eigener Wohnungsfenster selbst aufzukommen habe. Auch dieser Kostenverteilungsänderungsbeschluss musste im Anschluss an die BGH-"Jahrhundertentscheidung" v. 20.9.2000 (NJW 2000, 3500) als von Anfang an nichtig angesehen werden. Allerdings entspricht es – wie im vorliegenden Fall – Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, diesen Eigentümern und auch etwaigen Rechtsnachfolgern auch heute noch durch Beschluss einen Ausgleich zuzubilligen. Sind hier frühere Reparatur- bzw. Erneuerungskosten der Höhe nach nicht mehr nachweisbar und besteht i. Ü. rechtliche Unsicherheit hinsichtlich eines Verjährungsbeginns und – wie hier – auszuschließender Verwirkung solcher Erstattungsansprüche, ist ein jeweiliger Ausgleich in Höhe geschätzter 1.000 EUR durchaus vertretbar und gerecht. Die Anspruchsgrundlage für solche Aufwendungsersatzansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag ergibt sich aus § 683 BGB, da die Gemeinschaft solche Aufwendungen ohne den nichtig erklärten Beschluss zu tragen gehabt hätte. Jedenfalls rechtfertigt sich ein Ausgleich auch aus bereicherungsrechtlichen Grundsätzen (vgl. § 684 BGB i.V.m. § 818 Abs. 2 BGB – so auch OLG Hamburg, NZM 2002, 872). Erstattungen können hier beschlussweise als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung auch aus einer bestehenden Instandhaltungsrücklage erfolgen (vgl. Niedenführ/Schulze, WEG, 2004, § 16 Rn. 40; Wenzel, ZWE 2001, 226, 235 u. AG Neuss, NZM 2002, 31).
  2. Von einer Verwirkung des Anspruchs war nicht auszugehen, da sich bisher diese Gemeinschaft auch nicht darauf eingerichtet hatte, nicht mehr auf Ausgleich in Anspruch genommen zu werden.

    Was die gesetzliche Änderung der Verjährungsbestimmungen aus der Schuldrechtsreform 2001 betrifft (Verkürzung früherer 30-jähriger Anspruchsverjährung auf nunmehr grds. drei Jahre, beginnend mit der Kenntniserlangung anspruchsbegründender Umstände bzw. entsprechender Erkennbarkeit, vgl. § 199 Abs. 1 BGB), kann die Klärung der Verjährungsfrage letztlich dahinstehen. Im Rahmen des wechselseitigen Gemeinschaftsverhältnisses und auch im wohl verstandenen wirtschaftlichen Interesse einer Gemeinschaft an der Entlastung des Verwaltungsvermögens ohne langwierige Auseinandersetzungen, ist eine Ausgleichsgewährung in Höhe eines doch minimalen Aufwands im Einzelfall von 1.000 EUR angemessen, also auch weder treuwidrig noch rechtlich bedenklich. Solche "Sonderopfer" einzelner Eigentümer ohne Gegenleistung müssen auch aus Grundsätzen von Treu und Glauben und daraus ableitbaren Gerechtigkeitsgedanken auch heute noch korrigierbar sein (vgl. auch OLG Hamm, ZWE 2007, 135 unter Hinweis auf eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke). Die im vorliegenden Fall getroffene Kompromissentscheidung entspricht damit Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.

  3. Der Umstand, dass nicht jeweils ein separater Eigentümerbeschluss über die Entschädigung eines jeden einzelnen betroffenen Wohnungseigentümers gefasst wurde, sondern aus organisatorischen Gründen nur ein einheitlicher Beschluss, führt nicht zu der Beurteilung, dass sich die Gesamtzahl der von den begünstigten Eigentümern abgegebenen Stimmen kausal auf die Beschlussfassung ausgewirkt haben könnte. Auch Grundsätze des § 25 Abs. 5 WEG (Stimmrechtsausschluss) stellen damit das Beschlussergebnis nicht infrage. Ein Ausschluss betrifft hier nicht weitere, nur mittelbar interessierte und begünstigte Eigentümer.

    Der neuerliche Ausgleichsbeschluss entsprach deshalb § 21 Abs. 4 WEG und war gegen das Verwaltungsvermögen der jetzt bestehenden Gemeinschaft zu richten und von dieser auszugleichen.

Anmerkung

Auch diese Entscheidung unter Berücksichtigung der Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung, des Treueverhältnisses unter den Eigentümern einer Gemeinschaft sowie Gerechtigkeitsgedanken erscheint mir durchaus vertretbar, auch wenn es in Zukunft immer schwieriger für solche früheren Eigentümer werden dürfte, Einreden einer Verjährung von Ausgleichsansprüchen erfolgreich entgegnen zu können. Gegen solche und ähnliche Erstattungsbeschlüsse sollten sich allerdings Eigentümergemeinschaften – zumindest zurzeit – nicht im Sinne einer "Wagenburgmentalität" in den Weg stellen. Mit ähnlichen Argumenten des Vertrauensschutzes hat bereits das zitierte OLG Hamm einen ausgleichsverneinenden Beschluss unter Berufung auf Anspruchsverjährung aufgehoben und für ungültig erklärt.

 

Link zur Entscheidung

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.05.2008, I-3 Wx 271/07

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