Leitsatz

Wird ein von einem Wohnungseigentümer gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gerichtetes Zahlungsbegehren durch einen Negativbeschluss abgelehnt, besteht regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis für eine gegen den Negativbeschluss gerichtete Anfechtungsklage. Im Rahmen der Begründetheit einer solchen Anfechtungsklage ist lediglich zu prüfen, ob im Zeitpunkt der Beschlussfassung allein die freiwillige Erfüllung des Anspruchs ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen hätte; dies ist nur dann anzunehmen, wenn der Anspruch offenkundig und ohne jeden vernünftigen Zweifel begründet war.

 

Normenkette

§§ 14 Nr. 4, 21 Abs. 4, 46 WEG

 

Das Problem

  1. Eine Wohnungseigentumsanlage ist als "Terrassenhaus" gebaut (die Terrassen der Wohnungen bilden zugleich die Flachdächer der darunterliegenden Wohnungen). Durch den Belag der dem Sondereigentum von K vorgelagerten Terrasse dringt Wasser in das daruntergelegene, nicht im Eigentum von K stehende Sondereigentum ein. Der Verwalter meint, K müsse nach dem in der Gemeinschaftsordnung vereinbarten Umlageschlüssel die Kosten für die erforderliche Erneuerung des Bodenbelags tragen. Dieser Umlageschlüssel lautet wie folgt:

    Einrichtungen, Anlagen und Gebäudeteile, die nach der Beschaffenheit oder dem Zweck des Gewerks oder gemäß dieser Teilungserklärung zum ausschließlichen Gebrauch durch einen Wohnungseigentümer bestimmt sind (z.B. Balkone, Terrassen, Veranden), sind von ihm auf seine Kosten instand zu halten und instand zu setzen.

    K lässt daraufhin den Bodenbelag zwar auf eigene Kosten austauschen. Er verlangt aber von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gestützt auf § 14 Nr. 4 WEG den Ersatz des verauslagten Betrags von 7.952,94 EUR.

  2. Die Wohnungseigentümer beschließen, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer diese Forderung nicht erfüllen soll. Gegen diesen Beschluss wenden sich 6 Wohnungseigentümer im Wege der Anfechtungsklage, unter anderem auch K. Das Amtsgericht erklärt den Beschluss nach Beweisaufnahme für ungültig. Auf die Berufung der 9 beklagten Wohnungseigentümer ändert das Landgericht dieses Urteil und weist die Klage ab. Das Landgericht verneint das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage. Zwar sei ein Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig gegeben, weil das Recht auf ordnungsmäßige Verwaltung verletzt sein könne. Hier gehe es jedoch nur um die Weigerung der Wohnungseigentümer, den geltend gemachten Anspruch gemäß § 14 Nr. 4 WEG freiwillig zu erfüllen. Dieser Anspruch unterliege nicht der Gestaltung der Wohnungseigentümer und bilde daher keinen Gegenstand der ordnungsmäßigen Verwaltung. K könne ihr Rechtsschutzziel leichter über die Zahlungsklage erreichen. Der angefochtene Beschluss führe weder zu einer Aberkennung des Anspruchs noch sperre er eine erneute Beschlussfassung. Mit der Revision will nur noch K die Zurückweisung der Berufung erreichen. Im Ergebnis ohne Erfolg.
 

Die Entscheidung

  1. Die Klage ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs entgegen der Ansicht des Landgerichts zulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung eines Negativbeschlusses ergebe sich im Regelfall daraus, dass der Antragsteller durch die Ablehnung gegebenenfalls in seinem Recht auf ordnungsmäßige Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums verletzt werde (Hinweis auf BGH v. 15.1.2010, V ZR 114/09, BGHZ 184 S. 88 Rn. 13); dies gelte auch dann, wenn der Beschluss bereits vollzogen worden sei (Hinweis auf BGH v. 13.5.2011, V ZR 202/10, ZfIR 2011 S. 567 Rn. 12 ff.). Das Rechtsschutzbedürfnis entfalle nur ausnahmsweise, wenn nämlich ein Erfolg der Klage den Wohnungseigentümern oder der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer "keinen Nutzen mehr bringen könne". Das könne beispielsweise bei Eintritt der Bestandskraft eines inhaltsgleichen Zweitbeschlusses anzunehmen sein (Hinweis auf BGH v. 13.5.2011, V ZR 202/10, ZfIR 2011 S. 567 Rn. 6 und BGH v. 19.9.2002, V ZB 30/02, BGHZ 152 S. 46, 51).
  2. Werde ein von einem Wohnungseigentümer gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gerichtetes Zahlungsbegehren durch Beschluss abgelehnt, bestehe nach verbreiteter Ansicht allerdings kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungsklage (Hinweis unter anderem auf LG Hamburg v. 8.12.2010, 318 S 111/10, ZMR 2011 S. 319 und AG Charlottenburg v. 23.10.2013, 73 C 65/13, ZMR 2014 S. 241). Der Kläger könne sein Ziel durch eine Zahlungsklage erreichen; zudem handle es sich nicht um einen Gegenstand der ordnungsmäßigen Verwaltung. Nach anderer Ansicht soll das Rechtsschutzbedürfnis nur dann bestehen, wenn allein eine positive Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen hätte (Hinweis auf Abramenko in Riecke/Schmid, WEG, 4. Aufl., § 46 Rn. 10c). Diesen Auffassungen könne aber nicht zugestimmt werden. Auch ein Negativbeschluss "der genannten Art" müsse ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Der Begriff der Verwaltung im Sinne von § 21 WEG sei weit zu verstehen. Er umfasse (unter anderem) Maßnahmen der Geschäftsführung hinsichtlich des gemeinschaftlichen Eigentums ebenso wie die hierauf bezogene Willens...

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