In einigen Nachbarrechtsgesetzen der Bundesländer finden sich Regelungen, die die Rechtslage bei über die Grundstücksgrenze ragenden Bauteilen regeln.

 
Achtung

Verfassungsmäßigkeit landesgesetzlicher Regelung

Die rechtliche Zulässigkeit dieser landesgesetzlichen Regelungen wurde unter Hinweis auf die abschließende Regelung des Überbaus in den §§ 912 ff. BGB in der Vergangenheit teilweise als zweifelhaft bezeichnet.[1]

Hierzu hat das BVerfG im Jahr 2007 jedoch festgestellt, dass § 7b Abs. 1 Satz 1 Nachbarrechtsgesetz Baden-Württemberg, der den Grundstückseigentümer in einem über § 912 BGB hinausgehenden Umfang zur Duldung eines Überbaus im Fall einer baurechtlich zulässigen Grenzbebauung verpflichtet, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.[2] Nach Auffassung des Gerichts ist bereits zweifelhaft, ob der Bundesgesetzgeber die beim Überbau bestehenden Duldungspflichten des Nachbarn in § 912 Abs. 1 BGB erschöpfend geregelt hat. Denn einerseits würden in diesem Zusammenhang die Vorstellungen des historischen Gesetzgebers keinen eindeutigen Rückschluss im Hinblick auf die Zulässigkeit der Regelung weitergehender Duldungspflichten durch die Länder zulassen. Andererseits sei zu bedenken, dass § 912 Abs. 1 BGB selbst nach gegenwärtiger Rechtslage jedenfalls insofern nicht als abschließend verstanden werde, als die Zivilgerichte auch im Anwendungsbereich dieser Vorschrift ergänzend die auf § 242 BGB beruhende Regelung des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses heranziehen.

Auch Art. 124 Satz 1 EGBGB ist nach Auffassung des Gerichts nicht so zu verstehen, dass durch Landesgesetz nur andere Eigentumsbeschränkungen als der von § 912 Abs. 1 BGB erfasste Überbau geregelt werden dürfen. Denn "andere" könne nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auch eine zwar grundsätzlich gleichartige, in den einzelnen Voraussetzungen und Ausprägungen aber davon verschiedene Beschränkung des Grundstückseigentums bedeuten. Mit Rücksicht darauf, dass § 7b Abs. 1 Satz 1 NRG BW nur die privatrechtlichen Folgen des Überbaus auf der Grundlage einer nach öffentlichem Baurecht zulässigen Grenzbebauung regelt, wohingegen § 912 Abs. 1 BGB den Überbau im Allgemeinen betrifft, könnten in beiden Normen durchaus verschiedene Regelungsgegenstände gesehen werden. Die gegenteilige Deutung des Begriffs "andere" im Sinne von "andersartig" sei jedenfalls nicht zwingend.

 
Bundesland Nachbarrechtsgesetz Regelung
Baden-Württemberg § 7b Abs. 1 NRG BW (Überbau) Darf nach den baurechtlichen Vorschriften unmittelbar an die gemeinsame Grundstücksgrenze gebaut werden, so hat der Eigentümer des Nachbargrundstücks in den Luftraum seines Grundstücks übergreifende untergeordnete Bauteile, die den baurechtlichen Vorschriften entsprechen, zu dulden, solange diese die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen. 2Untergeordnete Bauteile sind insbesondere solche Bestandteile einer baulichen Anlage, die deren nutzbare Fläche nicht vergrößern.
Brandenburg § 19 BbgNRG (Einseitige Grenzwand)

Der Eigentümer eines Grundstücks hat Bauteile, die in den Luftraum seines Grundstücks übergreifen, zu dulden, wenn

  1. nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften auf dem Nachbargrundstück nur bis an die Grenze gebaut werden darf,
  2. die übergreifenden Bauteile öffentlich-rechtlich zulässig oder zugelassen worden sind,
  3. sie die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen und
  4. sie nicht zur Vergrößerung der Nutzfläche dienen.
Niedersachsen § 21 NNachbG (Einseitige Grenzwand) Darf nur auf einer Seite unmittelbar an eine gemeinsame Grenze gebaut werden, so hat der Nachbar kleinere, nicht zum Betreten bestimmte Bauteile, die in den Luftraum seines Grundstücks übergreifen, zu dulden, wenn sie die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur geringfügig beeinträchtigen.
Nordrhein-Westfalen § 23 NachbG NRW (Einseitige Grenzwand)

Bauteile, die in den Luftraum eines Grundstücks übergreifen, sind zu dulden, wenn

  1. nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften nur auf dem Nachbargrundstück bis an die Grenze gebaut werden darf,
  2. die übergreifenden Bauteile öffentlich-rechtlich zulässig sind,
  3. sie die Benutzung des anderen Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen und
  4. sie nicht zur Vergrößerung der Nutzfläche dienen.
Saarland § 19 NachbarG SL (Einseitige Grenzwand) Darf nur auf einer Seite unmittelbar an eine gemeinsame Grenze gebaut werden, so hat der Nachbar kleinere, nicht zum Betreten bestimmte Bauteile, die in den Luftraum seines Grundstücks übergreifen, zu dulden, wenn sie die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur geringfügig beeinträchtigen.
Sachsen-Anhalt § 16 NbG ST (Übergreifende Bauteile)

Bauteile, die in den Luftraum eines anderen Grundstücks übergreifen, sind zu dulden, wenn

  1. nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften nur auf dem benachbarten Grundstück bis an die Grenze gebaut werden darf,
  2. die übergreifenden Bauteile öffentlich-rechtlich zulässig sind,
  3. sie die Benutzung des anderen Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtig...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge