Rn 50

Berufsbedingte Aufwendungen, die sich von den privaten Lebenshaltungskosten nach objektiven Merkmalen eindeutig abgrenzen lassen, sind in angemessenem Umfang vom Nettoeinkommen aus unselbstständiger Arbeit abzuziehen. Von fiktiven Erwerbseinkünften ist auch ein fiktiver Erwerbsaufwand in Abzug zu bringen (BGH FamRZ 09, 314; Hamm FamRZ 10, 1085). Die Leitlinien der OLGe enthalten zu Ziff 10.2 teilweise erheblich divergierende Orientierungshilfen für die Berücksichtigung derartigen berufsbedingten Aufwands (wegen der Einzelheiten vgl FAKomm-FamR/Kleffmann vor § 1361 Rz 149 ff). ZT wird eine Pauschale von 5 % des Nettoerwerbseinkommens in Ansatz gebracht (zur Zulässigkeit vgl BGH FamRZ 14, 1536), zT wird der konkrete Nachweis berufsbedingten Aufwands für erforderlich erachtet (Frankf FuR 19, 90; Kobl FamRZ 19, 197; Hamm FamRZ 10, 1085). Bei weiten Fahrtstrecken von der Wohnung zur Arbeit kann eine Verringerung des Kilometersatzes in Betracht kommen, 0,30 EUR für die ersten 30 km und eines reduzierten Betrages von 0,20 EUR für die Folgekilometer (vgl Ziff 10.2.2 HLL). Die Kilometerpauschale für Fahrten zum Arbeitsplatz stieg 2021 ab dem 21. Kilometer auf 0,35 EUR und steigt ab 2024 auf 0,38 EUR (§ 9 Abs 1 Nr 4 EStG).

 

Rn 50a

Nach § 5 Abs 1 Nr 1 JVEG idF des KostRÄG 2021 beträgt die an Zeugen und Sachverständige zu leistende Fahrtkostenentschädigung nunmehr 0,42 EUR pro gefahrenem Kilometer. Ab Januar 2022 wurden nach § 5 JVEG die Kilometerpauschalen auf 0,35 EUR bzw. auf 0,42 EUR angehoben. Für beruflich notwendige Fahrten haben die OLG zwischenzeitlich 0,42 EUR pro gefahrenem Kilometer angesetzt. Bei einer Wegstrecke von über 30 km können Abschläge erfolgen.

 

Rn 50b

Sachliche Gründe für die unterschiedlichen Kilometersätze sind nicht zu erkennen. Sowohl in der höchstrichterlichen (BGH NJW 94, 190 [BGH 20.10.1993 - XII ZR 89/92]) als auch der obergerichtlichen Rspr (vgl zB.Saarbr MDR 05, 635) ist anerkannt, dass die Sätze des JVEG einen zutreffenden Maßstab zur Bemessung von Pkw-Fahrtkosten darstellen (grundlegend Dose in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, § 1 Rz 136). Eine stärkere Harmonisierung erscheint geboten. Mit der Pauschale ist regelmäßig der gesamte Fahrzeugaufwand gedeckt, insb können nicht zusätzlich noch Kosten für Haltung, Betrieb, Steuer, Versicherung, Reparatur etc) geltend gemacht werden (BGH FamRZ 06, 846; Brandbg FamRZ 21, 307; Hamm FamRZ 13, 1146; Celle FamFR 13, 201). Auch Finanzierungskosten können nicht neben pauschaliertem Fahrzeugaufwand in Ansatz gebracht werden (Brandbg FuR 21, 307; Hamm FamRZ 98, 561).

Der BGH (FamRZ 14, 1534; 06, 108; 00) billigt, dass Aufwendungen mit 5 % des Nettoeinkommens pauschal angesetzt werden und dass, wenn höhere Aufwendungen geltend gemacht werden oder ein Mangelfall vorliegt, die gesamten Aufwendungen iE darzulegen, nachzuweisen und ggf nach § 287 ZPO zu schätzen sind. Dabei dürfen die Anforderungen an eine Schätzung nicht überspannt werden (BGH FuR 09, 404; FamRZ 06, 108). Unterhaltsrechtlich anzuerkennende berufsbedingte Aufwendungen können nicht ohne nähere Prüfung mit den steuerlich anerkannten Werbungskosten gleichgesetzt werden (BGH FamRZ 09, 762). Neben konkret geltend gemachten berufsbedingten Aufwendungen kann nicht zusätzlich eine Pauschale geltend gemacht werden (Brdbg NZFam 16, 983). Der berufsbedingte Fahrtkostenaufwand ist immer auf seine Angemessenheit zu überprüfen und so niedrig wie möglich zu halten (Brandbg FamRZ 20, 477; Dresd FuR 18, 363). Bei unverhältnismäßig hohen Kosten (Richtschnur: ein Drittel oder mehr des Nettoeinkommens) ist zu prüfen, ob öffentliche Verkehrsmittel zumutbar genutzt werden können (Brandbg FamRZ 18, 1000; Brandbg FuR 15, 243; Stuttg NJW-RR 08, 527) oder ein Wohnungswechsel zumutbar ist (BGH FamRZ 98, 1501; Kobl FamRZ 20, 1266; Ddorf FamRZ 20, 249). Andererseits können auch hohe Fahrtkosten wegen persönlicher Bindungen hinzunehmen sein, wenn sonst die Lebensplanung des Unterhaltspflichtigen unzumutbar eingeschränkt würde. Wer sich auf hohe Fahrtkosten mit dem eigenen PKW beruft, trägt die Darlegungs- und Beweislast für eine Ausnahmesituation (Brandbg FamRZ 02, 981), insb für die Behauptung, der Arbeitsplatz lasse sich zumutbar nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen (Stuttg FamRZ 08, 1273; Karlsr FamRZ 00, 233). Die Notwendigkeit zur Benutzung eines eigenen Pkw besteht dann, wenn mit dem Fahrzeug während der Berufstätigkeit Fahrten zu verschiedenen Einsatzorten oder Besprechungen vorzunehmen sind. Eine Obliegenheit eines unterhaltsberechtigten Ehegatten zu einem Umzug in eine näher zum Arbeitsort gelegene Wohnung hat das OLG Brandenburg (FuR 19, 213) im Hinblick auf den damit als Einkommensbestandteil entfallenden Wohnvorteil und einer in der dortigen Region üblichen Entfernung von 83 km zum Arbeitsort verneint. Zudem wurde auf eine erhebliche Verwurzelung des 1958 geborenen Antragstellers, der seinen Lebensmittelpunkt seit Jahren am bisherigen Wohnort hatte, eine Milde...

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