Rn 22

Eine Verpflichtung zur Verwertung des Vermögensstamms besteht nur ausnahmsweise (BGH FamRZ 15, 1172; Hamm FamRZ 19, 531). Für den nachehelichen Unterhalt regeln §§ 1577 II, 1581 2, dass der Stamm des Vermögens nicht verwertet werden muss, soweit die Verwertung unwirtschaftlich und unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre (BGH FamRZ 09, 1300). Bei der Billigkeitsabwägung insb zu berücksichtigen sind die voraussichtliche Dauer der Bedürftigkeit des Berechtigen (Saarbr FamRZ 08, 698), die Ertragsmöglichkeiten des zur Verfügung stehenden Vermögens (BGH FamRZ 85, 354), die Rücksichtnahme auf berechtigte Belange naher Angehöriger (BGH FamRZ 80, 126), das Vorhandensein sonstiger Vermögenswerte, das Vorhandensein einer angemessenen Altersvorsorge (BGH FamRZ 06, 1511) und das Ausmaß der Belastung des Verpflichteten durch eine Unterhaltsgewährung aus seinem Einkommen.

 

Rn 22a

Auch eine Ferienwohnung muss für Unterhaltszwecke nicht veräußert werden, wenn dies unwirtschaftlich ist. Allerdings ist die Obliegenheit zu bejahen, die Ferienwohnung ganzjährig zu vermieten, auch wenn diese während bestehender Ehe ausschließlich eigengenutzt wurde (Saarbr NZFam 19, 639).

Zwar fehlt für den Trennungsunterhalt eine entspr Regelung (BGH FamRZ 09, 307). Regelmäßig ist allerdings auch dort unter Zugrundelegung vergleichbarer Kriterien eine Zumutbarkeitsprüfung vorzunehmen (BGH FamRZ 86, 556; Kobl FamRZ 17, 108). Beim Trennungsunterhalt ist zu berücksichtigen, dass Ehegatten einerseits ein höheres Maß an Rücksichtnahme schulden und andererseits eine trennungsfördernde Vermögensverwertung grds ausgeschlossen werden muss (BGH FamRZ 93, 165). Beim Trennungsunterhalt kommt deshalb eine Verwertung des Vermögens nur unter engeren Voraussetzungen in Betracht (München FamRZ 93, 62; Hamm FamRZ 97, 1537). Für den Kindesunterhalt enthalten §§ 1602 II, 1603 I und II 1 besondere Regelungen. Minderjährige Kinder müssen ihren eigenen Vermögensstamm im Verhältnis zu ihren Eltern nicht angreifen, solange die Eltern leistungsfähig sind (§ 1602 II). Beim Elternunterhalt wird die Obliegenheit zum Vermögenseinsatz eingeschränkt durch die sonstigen Verpflichtungen. Auch muss das unterhaltspflichtige Kind seinen eigenen angemessenen Bedarf nicht gefährden. Es darf nicht von laufenden Einkünften abgeschnitten werden, die es zur Bestreitung eines eigenen Unterhalts benötigt. Eine angemessene selbst genutzte Immobilie ist nicht zu verwerten (BGH FamRZ 15, 1172). Im Rahmen des Elternunterhalts gehört zu dem dem Zugriff des Unterhaltsgläubigers entzogenen Vermögen neben dem Notgroschen (BGH FamRZ 15, 1172) grds auch das Altersvorsorgevermögen. Dem unterhaltspflichtigen Kind soll ein Vorsorgevermögen verbleiben, gebildet aus einer Ansparung von 5 % des Bruttoeinkommens seit Beginn der Berufstätigkeit bei einer durchschnittlichen jährlichen Rendite von 4 %. Dieses Altersvorsorgevermögen wird mit Eintritt in das Rentenalter durch Umrechnung in eine Monatsrente zum Einkommen und steht dann als solches für Unterhaltszwecke zur Verfügung (BGH FamRZ 15, 1172). Allerdings soll nach BGH (FamRZ 15, 1172) für das unterhaltspflichtige Kind kein Bedürfnis für die Bildung eigenen Altersvorsorgevermögens bestehen wenn das unterhaltspflichtige Kind verheiratet ist und auch im Alter von der Altersvorsorge primärer und sekundärer Art des Ehegatten unterhalten werde (kritisch Hauß FamRZ 15, 1175). Gegenüber minderjährigen Kindern hat der Schuldner nach § 1603 II 1 alle verfügbaren Mittel – und damit auch den Vermögensstamm – zum Unterhalt zu verwenden (Hamm NZFam 18, 573). Wegen der iRd gebotenen Zumutbarkeitsprüfung zu beachtenden Abwägungskriterien vgl FAKomm-FamR/Kleffmann vor § 1361 Rz 86 (für den nachehelichen Unterhalt), Rz 87 (für den Trennungsunterhalt) und Rz 88 ff (für den Kindes- und Ehegattenunterhalt).

Verletzt der Unterhaltspflichtige die Obliegenheit, Vermögenswerte zu realisieren, ist er unterhaltsrechtlich so zu behandeln, als habe er die Obliegenheit erfüllt. Ein einklagbarer Anspruch auf Rückforderung einer Schenkung oder Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs besteht jedoch nicht (Hamm FamRZ 13, 706).

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