Gesetzestext

 

(1) Sofern in dieser Verordnung nichts anderes vorgesehen ist, unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

(2) Ergibt sich ausnahmsweise aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem Staat hatte, dessen Recht nach Absatz 1 anzuwenden wäre, so ist auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.

A. Allgemeine Anknüpfung.

 

Rn 1

Art 21 enthält eine ›allgemeine‹ Kollisionsnorm für die objektive Anknüpfung. Sofern nichts anderes bestimmt wird, unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge vTw dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (I). Dies korrespondiert mit der Aufenthaltszuständigkeit des Art 4. Auf den gewöhnlichen Aufenthalt zZt der Errichtung einer letztwilligen Verfügung kommt es für das Erbstatut grds nicht an (s aber Art 24).

 

Rn 2

Das Erbstatut wird einheitlich bestimmt, unabhängig von der Art der Vermögenswerte u unabhängig davon, ob diese in einem MS oder in einem Drittstaat belegen sind (Erw 37). Eine Unterscheidung zwischen beweglichem u unbeweglichem Nachlass wird nicht getroffen (Dörner ZEV 12, 505, 510; MüKo/Dutta vor Art 20 EuErbVO Rz 6). Eine Nachlassspaltung, wie sie das deutsche internationale Erbrecht früher bei Belegenheit von Vermögen im Ausland kannte, tritt unter den MS nicht mehr ein (Köln ZEV 20, 218 [OLG Köln 11.12.2019 - 2 Wx 342/19]; NK/Looschelders Rz 5). Ausn können aufgrund Rück- u Weiterverweisung (Art 34 I; Junker FS Kronke [20], 229, 240) sowie aufgrund international zwingender Vorschriften (Art 30) eintreten. Ferner können vorrangige Staatsverträge zur Anwendung kommen (s Art 75).

B. Gewöhnlicher Aufenthalt (Abs 1).

 

Rn 3

Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist unionsrechtsautonom auszulegen (Dörner ZEV 16, 117). Es kommt auf die persönliche, soziale u familiäre Eingliederung des Erblassers an. Dabei kann man sich auch an der Rspr zu anderen Verordnungen orientieren. Die VO definiert zwar den gewöhnlichen Aufenthalt nicht verbindlich, erläutert ihn aber in Erw 23. Danach ist eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod u im Zeitpunkt seines Todes vorzunehmen (dazu Pfeiffer IPRax 16, 310 ff; Emmerich ErbR 16, 122 ff). Wie weit mit einem erbrechtsspezifischen Begriff gearbeitet werden kann (Pfeiffer IPRax 16, 310), ist angesichts drohender Zersplitterung u Rechtsunsicherheit umstr (Remien IPRax 21, 329, 330; abl Grüneberg/Thorn Rz 5).

 

Rn 4

Dabei sind alle relevanten Tatsachen berücksichtigen, insbesondere die Dauer u die Regelmäßigkeit des Aufenthalts sowie die damit zusammenhängenden Umstände u Gründe (näher Mankowski IPRax 15, 39 ff; Kurth ErbR 18, 249 ff; Remien IPRax 21, 329 ff). Eine Mindestaufenthaltsdauer gibt es nicht (Odersky notar 13, 3, 4). Genügend etwa 1 Jahr (München FamRZ 20, 1951, 1953). Ins Gewicht fallen insb die familiären, sozialen und beruflichen Bezüge. Auch die Belegenheit von Vermögen kann einen Hinweis geben. Der gewöhnliche Aufenthalt soll unter Berücksichtigung der spezifischen Ziele der EuErbVO eine besonders enge u feste Bindung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen (krit Dörner ZEV 12, 505, 510). Der natürliche (nicht rechtsgeschäftliche) Aufenthaltswille ist zu berücksichtigen (Hamm NJW 18, 2061 m krit Aufs Kurth IPRax 19, 123; Odersky notar 13, 3, 5; Heinemann MDR 15, 928, 930: Erklärung des Erblassers). Allerdings sind die Anforderungen daran und ihr Stellenwert (insb für einen Bleibe- bzw Rückkehrwillen) umstritten (Heiderhoff IPRax 19, 506, 568 f). Ein Rückkehrwille allein genügt nicht (Frankf FamRZ 21, 234, 238; München FamRZ 23, 163 [Pflegebedürftiger]). Eine Bildung bestimmter Fallgruppen ist wg der jeweiligen Einzelfallentscheidungen nur begrenzt möglich.

 

Rn 5

Minderjährige haben einen eigenen, nicht von den Eltern abgeleiteten gewöhnlichen Aufenthalt. Sie können einen natürlichen Aufenthaltswillen haben. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Eltern darf aber nicht außer Acht gelassen werden. Kleinkinder teilen idR den gewöhnlichen Aufenthalt ihrer Eltern (s Art 5 KSÜ Rn 1). Der natürliche (nicht rechtsgeschäftliche) Aufenthaltswille ist auch für Pflegeheimbewohner und bei Altersdemenz zu beachten (zu Altenheimbewohnern Zimmer/Oppermann ZEV 16, 126 ff; zum Heim Ddorf ZEV 17, 103; zum Pflegeheim München ZEV 17, 333 Anm Rentsch u krit Aufs Weber DNotZ 18, 163 ff [Vertretung möglich]; Sterbehospiz KG FamRZ 21, 244). Eine zeitlich begrenzte Abwesenheit, etwa aus beruflichen Gründen oder zu Studienzwecken, beendet den gewöhnlichen Aufenthalt nicht. Ebenso bei trennungsbedingter Wohnsitznahme in einer Immobilie (Hamm FamRZ 20, 1872). Allerdings kann es bei Verfestigung zu einem Wechsel kommen. Die Erw gehen davon aus, dass es keinen mehrfachen gewöhnlichen Aufenthalt gibt (ebenso (EuGH C 80/19 E.E., ErbR 20, 710 Rz 40 zust Anm Mankowski = ECLI:EU:C:2020:569; Dörner

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