Rn 19

Art 17 IV (früher III) ist Grundlage für die Durchführung des VA. Die Vorschrift ist durch das AnpG zur ROM III geänd worden (Kemper FamRBint 13, 12, 14 ff; Gruber IPRax 16, 539 ff), s.o. Rn 1. Der VA unterliegt dem nach der ROM III-VO auf die Scheidung anzuwendenden Recht (IV S 1 Hs 1). Insoweit kommt es auf das Scheidungsstatut an (Campbell NZFam 20, 678, 681; krit Gruber IPRax 16, 539 ff). Etwaige Rück- u Weiterverweisungen sind nicht zu beachten. Die seit dem 29.1.19 anwendbare EuGüVO ist auf den VA überwiegend unanwendbar (s IPR-Anh 5 Art 1 II lit f).

 

Rn 20

IÜ ist zwischen S 1 u S 2 der Vorschrift zu unterscheiden: Bei Anwendbarkeit von IV 1 ergibt sich ein vAw durchzuführender VA. Hingegen ist der auf S 2 gestützte ›regelwidrige‹ VA nur auf Antrag eines Ehegatten vorzunehmen. Er muss nicht im Verbundverfahren, sondern kann auch später im isolierten Verfahren erfolgen (BGH FamRZ 07, 996). S 1 ist vorrangig ggü S 2.

 

Rn 21

Zur Durchführung des Versorgungsausgleichs vAw nach S 1 kommt es zu einer Anknüpfung an das im konkreten Fall nach der ROM III-VO berufene, dh anzuwendende, nicht tatsächlich angewendete (Zweibr NJW 00, 2432 [OLG Zweibrücken 28.02.2000 - 2 UF 235/99]), Scheidungsstatut. Das Scheidungsstatut bestimmt somit grds zugleich das Versorgungsausgleichstatut. Ist deutsches Recht anwendbar, so können bei funktioneller Gleichwertigkeit auch ausl Anwartschaften berücksichtigt werden (zu § 1587 aF BGB Rieck FPR 11, 498 ff; Reinhard FamRZ 07, 866: Österreich; BGH FamRZ 08, 770: Niederlande). Art 17 IV S 1 trägt den Schwierigkeiten Rechnung, die sich aus der engen Verzahnung des (zivilrechtlichen) Instituts des VA mit dem (öffentlich-rechtlich ausgestalteten) Sozialversicherungsrecht ergeben (näher Henrich Int Scheidungsrecht [23] Rz 280 ff). Wenn ein deutsches Gericht bspw niederländisches Recht auf den VA anwenden würde, könnte es die bei einem niederländischen Sozialversicherungsträger erworbenen Anrechte nicht öffentlich-rechtlich ausgleichen, selbst wenn das niederländische Recht dies vorsieht (vgl Staud/Mankowski Rz 404 ff). Umgekehrt könnte ein ausl Gericht nicht einen öffentlich-rechtlichen VA für deutsche Anrechte anordnen; ein deutsches Gericht könnte auf die Anrechte bei deutschen Rentenversicherungsträgern weiterhin zugreifen. Daher wird die tatsächliche Durchführung des VA nur für den Fall angeordnet, dass nach IV S 1 Hs 1 deutsches Sachrecht zur Anwendung gelangt (Alt 1) u zusätzlich das Heimatrecht eines der Ehegatten den VA kennt (Alt 2). Sachrechtlich sind ausl Ausgleichsrechte nicht ausgleichsreif (§ 19 II Nr 4 VersAusglG; Brandbg NZFam 19, 926 Anm Bergmann [Schweiz]); dies kann die Anwendung der Billigkeitsklausel (§ 19 III VersAusglG) nach sich ziehen (Zweibr FamRZ 15, 2063 [Frankreich]).

 

Rn 22

Der VA ist gem Art 17 IV S 1 2. Hs ausgeschlossen, wenn das Heimatrecht nicht mindestens einer der Ehegatten den Versorgungsausgleich kennt. Flüchtlinge u Asylberechtigte besitzen ein deutsches Personalstatut (Art 12 Genfer Flüchtlingskonvention; § 2 I AsylVfG; Henrich Int Scheidungsrecht [23] Rz 266). Der Begriff des VA ist so zu qualifizieren, wie er sich seinem Gehalt nach aus dem deutschen Recht ergibt (Finger FF 02, 154, 156). Ein VA ist dann materiell bekannt, wenn der Kerngehalt des betreffenden Rechtsinstituts mit den wesentlichen Strukturmerkmalen des deutschen VA vergleichbar ist. Hierfür reicht grds aus, wenn das ausl Rechtsinstitut einen mit dem schuldrechtlichen VA (§§ 20 ff VersAusglG) vergleichbaren Ausgleichsmechanismus vorsieht (BGH FamRZ 09, 677). Nur ähnl ausl Rechtsinstitute (Geschiedenenrenten, Volksrenten oä) reichen nicht aus. Weil Art 17 IV insb den angemessenen Ausgleich deutscher Versorgungsanrechte sicherstellen möchte, muss das berufene Sachrecht auch einen mit dem deutschen Recht strukturell vergleichbaren Ausgleich ›ausländischer‹ (dh auch deutscher) Versorgungsanrechte vorsehen (BGH FamRZ 09, 677).

Keinen VA kennen etwa der Libanon (Hamm FamRB 19, 467 Anm Finger) u die Türkei (München FamRZ 14, 862). Ein dem deutschen Recht wirklich adäquates Institut kennen möglicherweise einige Gliedstaaten der USA u Kanada (vgl Hohloch, Internationales Scheidungs- u Scheidungsfolgenrecht, S. 82/83 Rz 247–250 mwN. sowie Rahm/Künkel/Paetzold VIII Rz 987 u 998; München FamRZ 00, 165). Das niederländische Recht kennt wegen seiner Begrenztheit keinen VA im Sinne von Art 17 III (BGH FamRZ 09, 677; krit Henrich Int Scheidungsrecht [23] Rz 269 f). In der Schweiz ist seit dem 1.1.00 ein mit dem deutschen Recht zwar nicht kompatibler, jedoch in der Struktur durchaus vergleichbarer VA eingeführt worden (Reusser FamRZ 01, 595, 599 ff). Ansonsten ist wohl davon auszugehen, dass keine weitere ausl Rechtsordnung den VA kennt.

 

Rn 23

Verweist IV S 1 Hs 1 auf ein ausl Recht, das die Verweisung annimmt, so kann ein VA nicht nach Art 17 IV S 1 Hs 1 durchgeführt werden. IV S 1 Hs 2 hindert die Durchführung eines VA nach ausl Recht, auch wenn ihn dieses kennt.

 

Rn 24

Maßgeblicher Zeitpunkt ist der...

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