Gesetzestext

 

Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (wesentliche Bestandteile), können nicht Gegenstand besonderer Rechte sein.

A. Normzweck und Bedeutung.

 

Rn 1

Die Regelung dient der Erhaltung wirtschaftlicher Werte, dadurch, dass eine Sache und ihre wesentlichen Bestandteile das gleiche rechtliche Schicksal haben sollen (BGHZ 20, 154, 157). Die Übereignung einer beweglichen oder unbeweglichen Sache erfasst immer auch deren wesentliche Bestandteile. Eine entgegenstehende Vereinbarung der Parteien ist nichtig (KG OLGZ 80, 198).

 

Rn 2

Wird eine bislang selbstständige Sache wesentlicher Bestandteil einer anderen Sache, führt dies zum Verlust des Eigentums und sonstiger Rechte an der Sache, s. §§ 946 ff. Das gilt insb für den bis zur Verbindung bestehenden Eigentumsvorbehalt an der Sache (RG 63, 422). Ggf kann aber ein Eigentumsvorbehalt an wesentlichen Bestandteilen in eine schuldrechtliche Vereinbarung umgedeutet werden, die Aneignung (§ 956) zu gestatten oder ein Nutzungsrecht einzuräumen (MüKo/Stresemann Rz 17). Umgekehrt gewinnt ein wesentlicher Bestandteil seine Sacheigenschaft durch Trennung zurück, sofern diese ohne Zerstörung oder Wesensveränderung der Sache und des Bestandteils möglich ist, § 997 I. Schuldrechtliche Vereinbarungen über wesentliche Bestandteile sind möglich, insb wenn diese später durch Trennung von der Hauptsache selbstständig werden sollen (BGH NJW 00, 505). Die separate Übereignung wesentlicher Bestandteile ist unwirksam, ebenso die Verpfändung und Pfändung von wesentlichen Bestandteilen (BGHZ 104, 298, 304; aA Gaul NJW 89, 2509). Dingliche Rechtsgeschäfte über wesentliche Bestandteile sind nur zulässig, sofern sie unter der aufschiebenden Bedingung der Trennung von der Hauptsache erfolgen (Soergel/Marly Rz 22 mwN). An wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gibt es kein Sondereigentum nach dem WEG (BGH NJW 95, 2851 [BGH 30.06.1995 - V ZR 118/94]; NJW 13, 1154 [BGH 26.10.2012 - V ZR 57/12]; Schlesw DNotZ 07, 620 [OLG Schleswig 29.09.2006 - 2 W 108/06]). Gesonderter Besitz an wesentlichen Bestandteilen ist hingegen möglich, vgl § 865, da der Besitz kein Recht iSd § 93 ist. Der Besitz kann auch selbstständig übertragen werden (RGZ 108, 269 ff).

B. Begriffsbestimmung.

I. Wesentlichkeit.

 

Rn 3

Für die Wesentlichkeit eines Bestandteils ist maßgebend, wie sich die Abtrennung von Bestandteilen wirtschaftlich auswirkt. Auf das Schicksal der durch Trennung aufgelösten Gesamtsache kommt es nicht an, sondern nur auf die bisherigen Bestandteile nach der Trennung. Zerstörung bedeutet den substantiellen Untergang des Bestandteils, Wesensveränderung die Aufhebung oder Minderung seiner zweckbestimmenden Eigenschaften oder seines Wertes (BGHZ 20, 159, 162). Eine nur geringfügige Wertminderung infolge der Trennung ist unerheblich (Köln NJW 91, 2570). Maßgebend ist die Verkehrsanschauung (BGHZ 36, 46, 50; 61, 80), wobei sich die Sonderrechtsfähigkeit nicht nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Trennung, sondern der Verbindung bestimmt (BGHZ 61, 80, 83). Liegt diese im Zeitpunkt der Verbindung nicht vor, kann aber eine nachträgliche Neubewertung der Sonderrechtsfähigkeit in Betracht kommen (BGHZ 231, 310 = NJW 22, 614 Rz 30; Wietfeld NJW 22, 1273). Unverhältnismäßig hohe Kosten der Trennung können der Einordung als einfacher Bestandteil entgegenstehen (Staud/Stieper Rz 17). Dabei ist aber ein strenger Maßstab anzulegen (BGH NJW 12, 778, 779). Ob ein Bestandteil als wesentlich anzusehen ist oder nicht, richtet sich auch nach dem Fortschritt in der technischen Entwicklung und der Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse (BGH 18, 226, 232). Eine feste Verbindung ist anders als bei § 94 weder erforderlich noch ausschlaggebend. Auch eine lose Verbindung kann genügen, wenn die Teile nach der Verkehrsanschauung nur als eine einzige Sache angesehen werden. Bei zusammengesetzten Sachen sind nur diejenigen Bestandteile als wesentlich anzusehen, die mit dem Einbau vollständig in dem Ganzen aufgehen und bei einer natürlichen Betrachtungsweise keine eigenständige Bedeutung mehr haben (BGH 20, 154). Sind die Teile austauschbar, zB bei einem Kfz (BGHZ 18, 226), handelt es sich um einfache Bestandteile. Dies gilt nicht nur für serienmäßig hergestellte, sondern auch für speziell angefertigte Teile, sofern sie durch ein anderes Teil ersetzt werden können (BGH NJW 12, 778 [BGH 11.11.2011 - V ZR 231/10]).

II. Einfache Bestandteile.

 

Rn 4

Einfache Bestandteile können im Umkehrschluss zu § 93 Gegenstand besonderer Rechte sein, an ihnen ist Sondereigentum und Eigentumsvorbehalt möglich (RGZ 69, 117, 120). Im Allg teilen auch einfache Bestandteile das rechtliche Schicksal der Sache (Frankf NJW 82, 654 [OLG Frankfurt am Main 07.04.1981 - 14 U 80/80]). Verfügungen über die Sache erstrecken sich regelmäßig auch auf den einfachen Bestandteil. Ob eine Pfändung einfacher Bestandteile von beweglichen Sachen vor ihrer Abtrennung zulässig ist, ist str (dafür MüKo/Stresemann Rz 32; Soergel/Marly Rz 29; dagegen Staud/Stieper Rz 44). § ...

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