Rn 16

Die Pflichten des Geschäftsherrn – und damit auch seine Entlastungsmöglichkeiten – richten sich nach Art und Umfang der dem Verrichtungsgehilfen übertragenen Tätigkeit, insb nach den damit verbundenen Gefahren (s etwa BGH VersR 58, 29, 30; NJW 78, 1681 f [BGH 14.03.1978 - VI ZR 213/76]; 03, 288, 289 f).

a) Auswahl.

 

Rn 17

Bei der Auswahl ist die Eignung des Verrichtungsgehilfen für die zu übertragende Tätigkeit festzustellen (s nur BGH NJW 03, 288, 290). Die fachliche Eignung ist insb anhand von Zeugnissen, ggf auch durch praktische Prüfungen zu ermitteln. Die charakterliche Eignung ist bei Tätigkeiten mit hoher Verantwortung stets zu prüfen, in anderen Fällen evtl auch dann, wenn kein unmittelbarer Zusammenhang mit der geplanten Tätigkeit besteht (zB RG JW 1931, 3340, 3341 ff). Auf Arbeitszeugnisse darf sich der Geschäftsherr nur in bestimmten Fällen verlassen (RG JW 1935, 2043; Köln NJW-RR 97, 471). Eine zusätzliche Überprüfung, zB durch Nachfragen beim früheren Arbeitgeber, kann – iRd arbeitsrechtlich Zulässigen – erforderlich (zB RG WarnR 1933 Nr 97; Köln NJW-RR 97, 471), bei fehlender Fachkenntnis des Einstellenden und zB staatlichen Examina aber auch entbehrlich sein (BGHZ 1, 383, 387 f; NJW 89, 769, 771). Stellen sich bei der Auswahl Defizite heraus, ist die Bestellung als Verrichtungsgehilfe trotzdem möglich, aber es bestehen höhere Anforderungen an Einarbeitung, Anleitung und Überwachung (Staud/Bernau § 831 Rz 154 aE; NK-BGB/Katzenmeier § 831 Rz 34; BeckOGK/Spindler § 831 Rz 40).

b) Überwachung, Aufsicht.

 

Rn 18

Über den Gesetzeswortlaut hinaus sind Überwachungs- und Aufsichtspflichten des Geschäftsherrn anerkannt (zB RGZ 78, 107, 109 f; BGHZ 8, 239, 243; NJW 03, 288, 290). Sie sind die logische Fortsetzung der Pflicht zu sorgfältiger Auswahl, die sich nicht in der Erstauswahl erschöpft, sondern über die Zeit der gesamten Tätigkeit fortdauert, weil sich der Entlastungsbeweis auf den Zeitpunkt der Schadenszufügung bezieht (BGHZ 8, 239, 243; NJW-RR 96, 867, 868; 97, 471 f). Wichtig sind insb detaillierte Anweisungen für die Durchführung der jeweiligen Tätigkeit (sehr weitgehend Saarbr NJW-RR 07, 1322, 1324 [OLG Saarbrücken 27.03.2007 - 4 U 437/06]) sowie Kontrollen. Diese Pflichten sind praktisch besonders relevant bei medizinischem Personal (Assistenzärzte: BGH NJW 78, 1681 [BGH 14.03.1978 - VI ZR 213/76]; Krankenschwestern: BGH NJW 79, 1935 [BGH 08.05.1979 - VI ZR 58/78]; Hebammen: BGH VersR 64, 948, 949 [BGH 26.05.1964 - VI ZR 54/63]; NJW 00, 2737, 2739 [BGH 16.05.2000 - VI ZR 321/98]; Ärzte als Berufsanfänger: BGH NJW 88, 2298, 2299 f [BGH 26.04.1988 - VI ZR 246/86]; weniger streng für Dienst habende Stations- und Ambulanzärzte BGH NJW 89, 769, 771 [BGH 20.09.1988 - VI ZR 296/87]), soweit es nicht von § 31 erfasst ist. Auch bei Kraftfahrern spielen sie eine wichtige Rolle, insb bei Personenbeförderung können regelmäßige Kontrollfahrten (zB BGH VersR 66, 364 f; NJW-RR 03, 24, 25; s aber auch BGH VersR 61, 330, 332 f; 84, 67) sowie ärztliche Untersuchungen (BGH NJW 64, 2401, 2402) erforderlich sein.

c) Leitung der Verrichtung.

 

Rn 19

Das Erfordernis der Leitung der Verrichtung bezieht sich auf die konkrete Tätigkeit, nicht auf die allgemeine Leitung eines Betriebs (BGHZ 11, 151, 153). Der Umfang der Pflicht richtet sich auch hier nach den Umständen des Einzelfalls, das Spektrum denkbarer Pflichten reicht von persönlicher Anwesenheit (zB BGHZ 11, 151, 154; Erman/Wilhelmi § 831 Rz 22) bis zu allg Dienstanweisungen (BGH VersR 56, 382; 69, 518, 519).

d) Besonderheiten in Großbetrieben.

 

Rn 20

Grds ist der Entlastungsbeweis bei mehreren möglicherweise an der Schädigung Beteiligten für alle in Betracht kommenden Personen zu führen. In Großbetrieben mit weitreichender, mehrstufiger Arbeitsteilung ließ die Rspr früher einen dezentralisierten Entlastungsbeweis zu: Der Geschäftsherr konnte sich bereits durch den Nachweis entlasten, dass er nachgeordnetes Personal, das seinerseits mit Leitungs- und Aufsichtsaufgaben betraut war, sorgfältig ausgewählt und überwacht hatte (RGZ 78, 107, 108 f; BGHZ 4, 1, 2 f; NJW 73, 1602, 1603; zur Entwicklung insg Firat Die deliktische Gehilfenhaftung gemäß § 831 BGB 21, 55 ff mwN). Später wurden die Anforderungen an einen solchen Entlastungsbeweis jedoch in dreifacher Hinsicht verschärft, was angesichts der rechtspolitischen Bedenken gegen § 831 I 2 (s.o. Rn 1), die durch den dezentralisierten Entlastungsbeweis noch verstärkt wurden, sinnvoll erscheint: Der Geschäftsherr muss nunmehr nachweisen, dass auch seine nachgeordneten Angestellten sorgfältig ausgewählt und überwacht haben (BGHZ 4, 1, 2), dass aufgrund der innerbetrieblichen Organisationsstruktur sichergestellt ist, dass er selbst laufend unterrichtet wird (RGZ 87, 1, 4; BGHZ 4, 1, 2 f; 11, 151, 154 f; NJW 80, 2810, 2811) und er hat die Pflicht, für ausreichende Anordnungen und Anweisungen zu sorgen, damit Dritte nicht im Zusammenhang mit den Arbeitsabläufen geschädigt werden (RGZ 87, 1, 4; BGH VersR 64, 297 [BGH 08.11.1963 - VI ZR 257/62]; NJW 68, 247, 249 [BGH 17.10.1967 - VI ZR 70/66]). Insbesondere die letzte Pflicht ...

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