Rn 65

Immaterialgüterrechten kommen regelmäßig Zuweisungsgehalt und Ausschließungsfunktion zu. Neben spezialgesetzlichen Schadensersatzansprüchen ist § 823 I allerdings allenfalls subsidiär anwendbar (s zB BGHZ 3, 365, 368; 26, 52, 59; 114, 105, 109 ff), wenn die Spezialregelungen nicht als abschließend gedacht sind. So kommt etwa vor der Patentanmeldung eine Verletzung eines sonstigen Rechts in Betracht, wenn die Erfindung schutzfähig ist (BGH NJW 79, 269, 271; NJW-RR 95, 696, 697 [BGH 17.01.1995 - X ZR 130/93]; BGHZ 185, 341 Rz 28; GRUR 20, 986 [BGH 09.06.2020 - X ZR 142/18] Rz 17 mwN); hier dürfte va das Erfinderpersönlichkeitsrecht als sonstiges Recht verletzt sein (so ausdr BGH NJW 79, 269, 271 [BGH 24.10.1978 - X ZR 42/76]). Für denkbar gehalten wird die Verletzung einer eigentumsähnlichen Rechtsposition auch bei Beantragung einer Anti-Suit Injunction vor einem US-amerikanischen Gericht mit dem Ziel, die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen wegen Patentverletzung im Inland zu verhindern, insb die Rechtswidrigkeit bedarf allerdings genauer Prüfung im Einzelfall (München GRUR 20, 379, 380 ff [OLG München 12.12.2019 - 6 U 5042/19]; Ddorf GRUR-RS 22, 1375 mwN). Nicht einschlägig ist § 823 I idR für die Unterlassung oder Beseitigung als herabsetzend beanstandeter Äußerungen in einer Patentschrift (BGHZ 183, 309 Rz 18 ff mit denkbarer Ausn Rz 17; zu verbleibenden Rechtsschutzlücken, die Bedenken an der Entscheidung des BGH wecken, Götting GRUR 10, 256, 257 [BGH 10.12.2009 - I ZR 46/07]). § 823 I kann auch nicht zum Schutz von mit Immaterialgüterrechten verwandten, aber nicht in gleicher Weise geschützten Positionen, zB Geschäftsgeheimnissen, instrumentalisiert werden, denn sonst würden diese – obgleich vom Gesetzgeber nicht vorgesehen – möglicherweise im weiterem Umfang geschützt als Immaterialgüterrechte (so zum Domainschutz mittlerweile auch BGHZ 192, 204 Rz 21 ff; problematisch hingegen die Rspr im Hinblick auf geheimes Know-how, insb BGHZ 16, 172, 175; 17, 41, 51; 107, 117, 122, sowie zum Domainschutz Köln MMR 06, 469, 470; Berberich MMR 12, 310, 311 f; die Frage des Geheimnisschutzes nach § 823 I dürfte durch das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen an Bedeutung verlieren). Nach der Aufnahme berühmter Marken in das MarkenG dürften auch diese idR nicht mehr von § 823 I erfasst werden (so auch BGH WRP 09, 967 Rz 37; weiterhin insb BeckOGK/Spindler § 823 Rz 175; anders noch BGHZ 28, 320, 328 ff; 114, 105, 109 ff sowie zB Staud/J Hager § 823 Rz B 137; NK-BGB/Katzenmeier § 823 Rz 76 mwN; offengelassen in BGH NJW 98, 2045, 2046). Letztlich dürfte § 823 I bei Immaterialgüterrechten nur ein geringfügiger Anwendungsbereich verbleiben, der auch nicht die Verletzung ausländischer Immaterialgüterrechte in bestimmten Durchfuhrsituationen erfasst (BGH VersR 12, 1530 Rz 18; s.a. Leitzen GRUR 06, 89, 95; noch weitergehend abl Hacker MarkenR 09, 7, 9, allerdings nicht ausdrücklich zu § 823 I; aA Cordes GRUR 12, 141, 145; Marly/Nestler LMK 12, 330732; KG GRUR-RR 10, 79; 11, 263). Wo kein spezieller immaterialgüterrechtlicher Schutz in Betracht kommt, können auch das Recht am Unternehmen, § 826 oder § 9 UWG einschlägig sein (vgl zB BGHZ 26, 52, 59; 107, 117, 122; WRP 09, 967 Rz 38 ff). Diese Haftungstatbestände sind von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig, durch die immaterialgüterrechtliche Regelungen idR nicht konterkariert werden, weil es sich um eine zusätzliche, eigenständige Haftungsbegründung handelt. § 823 I hat in diesem Bereich va noch Bedeutung für besondere Persönlichkeitsrechte ohne eigenen gesetzlichen Schadensersatzanspruch, für Namensrecht (§ 12), Firmenrecht (§ 17 HGB) und Recht am eigenen Bild (§ 22 KUG), vgl NK-BGB/Katzenmeier § 823 Rz 77 mwN.

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