Rn 101

Gegenstand der bisherigen Betrachtungen waren Fallkonstellationen, in denen der Schuldner (B) Leistungen eines Dritten (A) an seinen, des Schuldners, Gläubiger (C) zurechenbar veranlasst hat (Rn 85 ff). Eine solche Anweisungslage fehlt, wenn A freiwillig, aus eigenem Antrieb, Leistungen auf die für ihn fremde Schuld des B erbringt. Das bleibt nicht ohne Einfluss auf den Bereicherungsausgleich zwischen den Beteiligten, deren Rechtsbeziehungen sich wie folgt darstellen: Leistet A auf eine im Valutaverhältnis B–C bestehende Verbindlichkeit, wird B befreit (§ 267 I 1) und die Schuld erlischt (§ 362 I). Für eine Leistungskondiktion A–C ist kein Raum, weil C den Zuwendungsgegenstand mit Rechtsgrund erlangt hat. A muss sich also an B halten, der nicht selten nach den Regeln der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) gem §§ 677, 683, 670 Aufwendungsersatz schuldet, weil die schuldbefreiende Leistung des A seinem (mutmaßlichen) Willen und Interesse entspricht oder § 679 eingreift, was insb für freiwillige Unterhaltszahlungen Dritter in Betracht zu ziehen ist. War die in der Fremdleistung liegende Geschäftsführung hingegen nicht willens- und interessenkonform, etwa wenn A zahlt, um in eine von B bei C unter Eigentumsvorbehalt erworbene Kaufsache vollstrecken zu können, ohne eine Drittwiderspruchsklage des C befürchten zu müssen, so gelangt man vorbehaltlich der Genehmigung des B (§ 684 2) über § 684 1 zum Bereicherungsausgleich. Gleiches gilt gem § 687 II 2 für die angemaßte Eigengeschäftsführung, sofern B für die Rechte aus § 687 II 1 optiert. Nach einer in Rspr und Lit weit verbreiteten Auffassung soll es sich bei § 684 1 um eine Rechtsfolgenverweisung auf § 818 handeln (BGH MDR 92, 588 f; Hamm NJW-RR 91, 1303; Grüneberg/Sprau § 684 Rz 1; BRHP/Gehrlein § 684 Rz 1; s Rn 38); dann erübrigen sich alle weiteren Fragen nach einem bereicherungsrechtlichen Anknüpfungstatbestand. Für die Anhänger der Gegenmeinung (Rechtsgrundverweisung MüKo/Seiler § 684 Rz 3; Medicus BürgR Rz 947) ist der Weg über die condictio indebiti in den Fällen der unberechtigten Geschäftsführung kaum je eröffnet, weil A mit der von B nicht gewollten Zuwendung an C regelmäßig keine Leistung an B bezweckt (Medicus BürgR Rz 949; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 116; Larenz/Canaris Schuldrecht BT II/2, § 69 III 2a). Das gilt natürlich erst recht für die angemaßte Eigengeschäftsführung.

 

Rn 102

Dann bleibt nur die Lösung über die Nichtleistungskondiktion in Form der sog Rückgriffskondiktion, deren eigenständige Bedeutung sich freilich in der Funktion eines eng umgrenzten Auffangtatbestandes für die außerhalb der (berechtigten) GoA nicht eben häufigen Fälle erschöpft, in denen der Dritte aus eigenem Antrieb Zuwendungen erbringt, die er aus der insoweit maßgeblichen objektiven Empfängersicht zumindest auch auf eine tatsächlich bestehende Verbindlichkeit des Schuldners ggü dem Gläubiger bezogen wissen will (BGH NJW 03, 1192, 1195; BGHZ 137, 89, 95; 113, 62, 69; 70, 389, 397; vgl allg zur Rückgriffskondiktion MüKo/Schwab § 812 Rz 317 ff; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 109 ff; Medicus BürgR Rz 945 ff, 950). Allerdings kommt es zur Rückgriffskondiktion nur, soweit keine anderen gesetzlichen Bestimmungen den Rückgriff regeln. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insb die Tatbestände einer gesetzlich angeordneten Legalzession, wie sie sich bspw in § 268 III für die Ausübung eines Ablösungsrechts und in § 426 II für den Innenausgleich zwischen Gesamtschuldnern finden (weitere Bsp bei AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 112).

 

Rn 103

Bei nicht bestehender Valutaschuld scheidet ein bereicherungsrechtlicher Rückgriff A–B schon deshalb aus, weil B mangels Befreiung von einer Verbindlichkeit nicht bereichert ist (BGH JZ 21, 784 [BGH 05.11.2020 - I ZR 193/19]. IÜ erbringt A – anders als in den oben erörterten Anweisungsfällen (Rn 91 f) – mit der auf Tilgung einer Fremdschuld gerichteten Zuwendung keine Leistung an B, sondern eine solche an C. A kann und muss also direkt mit der Leistungskondiktion gegen C vorgehen (ganz hM BGH NJW 00, 1718 f; BGHZ 113, 62, 69 f; Staud/Lorenz § 812 Rz 4; Medicus BürgR Rz 685), und zwar nach der Rspr des BGH auch dann, wenn A im Deckungsverhältnis ggü B zur Zuwendung verpflichtet ist, insoweit aber nicht dessen Anweisungen unterliegt (Bsp Überobligatorische Regulierung eines vermeintlichen Haftpflichtschadens – BGH NJW 00, 1718 f; BGHZ 113, 62, 69 f; ebenso Erman/Buck-Heeb § 812 Rz 28; Staud/Lorenz § 812 Rz 44; aA Canaris NJW 92, 868 ff [BVerwG 17.10.1991 - BVerwG 2 C 21/90] – Rückabwicklung ›übers Eck‹).

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