Rn 6

Die Urkunde ist im eigenen Interesse des Anspruchstellers errichtet, wenn die Urkunde zumindest auch dazu bestimmt ist, ihm als Beweismittel zu dienen oder sonst seine rechtlichen Beziehungen zu fördern (BGH MDR 71, 574; Ddorf NJW-RR 96, 1464, 1466 [OLG Düsseldorf 15.09.1995 - 7 U 119/94]; Staud/Marburger Rz 12). Entscheidend kommt es nicht auf den Urkundsinhalt, sondern auf den Zweck ihrer Errichtung an. Bei der Feststellung eines rechtlichen Interesses ist daher auf den Zeitpunkt der Urkundserrichtung abzustellen. Ein Einsichtsrecht besteht auch bei angeblich gefälschter Urkunde (RG JW 31, 1549).

 

Rn 7

 
Praxis-Beispiel

Beispiele:

Eine im Interesse des Anspruchstellers errichtete Urkunde ist der Versicherungsschein bei einer Lebensversicherung mit Drittbegünstigung (§ 328). Ein Einsichtsrecht besteht auch in das Baubuch (BGH NJW 87, 1196, 1197 [BGH 09.12.1986 - VI ZR 287/85]), in die Geschäftsunterlagen einer Gesellschaft (BGH NJW 89, 225: ausgeschiedener Kommanditist; Hambg ZIP 04, 1099: stiller Gesellschafter; Frankf NJW-RR 96, 871: kein Einsichtsrecht aus § 51a GmbHG mehr; Naumb NZG 2014, 868 [OLG Naumburg 12.12.2013 - 9 U 58/13 (Hs)]: kein Einsichtsrecht, wenn § 51a II GmbHG vorläge), in die Aufzeichnungen über eine Lehranalyse iRe Therapeutenausbildung (Celle MedR 13, 369 Rz 52 ff; BGH NJW 14, 298), in die Pflegedokumentation bei Heimbewohnern (BGHZ 185, 74 Rz 12; BGH VersR 13, 648 Rz 6). Hierunter fällt auch der Anspruch des Verkäufers auf Einsicht in Unterlagen über voraus abgetretene Kundenforderungen bei verlängertem Eigentumsvorbehalt (BGHZ 94, 105, 116). Nicht erfasst sind dagegen das Protokoll eines Gläubigerbeirats, da es nicht im Interesse eines Vergleichsgaranten geführt wird (BGH DB 71, 1416), das Gutachten einer Versicherung (LG Berlin VersR 03, 94; Frankf MDR 92, 353: psychiatrisches Gutachten; Armbrüster VersR 13, 944) sowie die Unterlagen eines Ombudsmanns (LG Bonn NJW 02, 3260). Einseitige Aufzeichnungen eines Sachbearbeiters, die dieser zur Gedächtnisstütze angefertigt hat, werden nicht (auch) im Interesse des Geschäftspartners angefertigt, so dass sie nicht von § 810 erfasst sind (BGH WM 73, 644, 649). Die von einer als Verein organisierten Studienstiftung geführten Personalakten dienen nicht dem Interesse der jeweiligen Stipendiaten (BGH NJW 81, 1733 [BGH 08.04.1981 - VIII ZR 98/80]). Auch ein Anspruch des Mandanten ggü dem Wirtschaftsprüfer auf Einsicht in die Arbeitspapiere besteht grds nicht (Gutman, BB 10, 171, 173).

 

Rn 8

Operations- und Krankenunterlagen des Arztes werden nicht lediglich als Gedankenstütze des Arztes, sondern auch im Interesse des Patienten geführt (BGHZ 72, 132, 137 f). Daher hatte der Patient bislang einen Anspruch aus § 810 auf Einsichtnahme in die Krankenunterlagen des behandelnden Arztes (außerhalb eines Rechtsstreits), sofern es sich dabei um Urkunden handelte (Kobl NJW 95, 1625; s.a. BGHZ 85, 327, 337; 85, 339, 341). Daneben ergab sich ein Einsichtnahmerecht hinsichtlich anderer Unterlagen auch als Nebenpflicht aus dem Behandlungsverhältnis (Arztvertrag, GoA; BGHZ 85, 327, 331 f; nun auch § 630g). Inzwischen ist ein Einsichtsrecht in § 630g verankert (s Habermalz NZW 13, 3403; Müller ZEV 14, 401). Bei Einwilligung des Betroffenen kann der Anspruch auch auf den gesetzlichen Krankenversicherer übergehen (BGH MDR 13, 653 Rz 13; BGH VersR 10, 969).

 

Rn 9

Der Umfang des Einsichtsrechts ist begrenzt. So besteht kein Recht auf Einsicht in Aufzeichnungen über subjektive Eindrücke, persönliche Notizen des Arztes und Verdachtsdiagnosen (BGHZ 85, 327, 333 ff). Ein Anspruch auf Einsichtnahme in die Dokumentation einer psychiatrischen Behandlung besteht lediglich dann, wenn dem keine schützenswerten Interessen des Patienten, des Arztes oder Dritter entgegenstehen (BGHZ 85, 327, 339; NJW 85, 674). Diese hat der Arzt, ohne dabei ins Detail gehen zu müssen, näher zu kennzeichnen (BGHZ 106, 146, 148; LG Frankf NJW-RR 07, 999). In Betracht kommt ua ein therapeutischer Vorbehalt, wenn aus der Kenntnis des Patienten vom Inhalt negative gesundheitliche Konsequenzen folgen können (BVerfG NJW 06, 1116, 1118 [BVerfG 09.01.2006 - 2 BvR 443/02]). Dann kann allerdings die Vorlage an einen anderen Behandler in Betracht kommen (LG Münster NJW-RR 08, 441). Der Anspruch auf Einsichtnahme kann auf die Erben übergehen, soweit dies mit der ärztlichen Schweigepflicht vereinbar ist (BGH NJW 83, 2627, 2628), etwa weil der Arzt vom (verstorbenen) Patienten von der Schweigepflicht entbunden wurde. Andernfalls haben einerseits die Erben ihr rechtliches Interesse an der Einsichtnahme sowie die mutmaßliche Einwilligung des (verstorbenen) Patienten konkret darzulegen und andererseits der Arzt, weshalb er sich durch die Schweigepflicht an der Gewährung der Einsicht gehindert sieht (BGH NJW 83, 2627, 2630).

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