Rn 41

Ein Prozessvergleich iSd § 794 I Nr 1 ZPO ist ein Vergleich, der zwischen den Parteien oder zwischen einer Partei und einem Dritten zur gänzlichen oder teilweisen Beilegung eines Rechtsstreits vor einem deutschen Gericht oder vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle abgeschlossen und nach § 118 I 3 ZPO oder § 492 III ZPO zum richterlichem Protokoll genommen worden ist. Auch der Prozessvergleich beruht auf einem gegenseitigen Nachgeben (BGHZ 39, 60, 62; aA BeckOKBGB/Fischer § 779 Rz 71 mit Verweis auf den schiedsrichterlichen Vergleich und § 1053 ZPO; vgl Rn 49). Der Vergleich kann abgeschlossen werden vor dem Prozessgericht, dem beauftragten oder ersuchten Richter, dem Rechtspfleger in allen ihm übertragenen Verfahren (Zö/Geimer § 794 Rz 5), dem Vollstreckungsgericht (RGZ 165, 161, 163), dem Arbeitsgericht oder einem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Stuttg OLGZ 84, 131, 132).

 

Rn 42

Der gerichtliche Vergleich kann über den Streitgegenstand hinausgehen (BGHZ 14, 381, 387; 35, 309, 316). Er kann nicht rechtshängige oder in anderen Verfahren streitige Ansprüche einbeziehen. Er kann Regelungen zu Gunsten Dritter enthalten (§ 328). Dritte können dem Prozess auch zum Zwecke des Vergleichsabschlusses beitreten: Dann ist er auch ihnen ggü vollstreckbar (Zö/Geimer § 794 Rz 6).

 

Rn 43

Der Prozessvergleich hat eine Doppelnatur: Einerseits stellt er eine Prozesshandlung dar. Andererseits ist er ein materiell-rechtlicher Vertrag nach § 779, auf den die zivilrechtlichen Vorschriften Anwendung finden (BGHZ 16, 388, 390; stRspr zB NJW-RR 06, 644, 645). Zwischen prozessualer und materiell-rechtlicher Wirkung besteht folgende Wechselwirkung: Ein nach Prozessrecht unwirksamer Vergleich hat zwar nicht die Wirkung des § 794 I Nr 1 ZPO, kann aber gleichwohl materiell-rechtlich gültig sein, wenn dies dem Willen der Parteien entspricht (BGH NJW 85, 1962, 1963; Oldbg BauR 08, 1347). Ist ein Vergleich von Beginn an materiell-rechtlich unwirksam oder wird er es aufgrund eines bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses angelegten Mangels, kommt ihm auch keine prozessbeendende Wirkung zu (BGHZ 16, 388, 390; BAG ZIP 85, 1510, 1511). Demggü ändert eine materiell-rechtliche Unwirksamkeit, die auf nachfolgenden Umständen beruht (zB nachträgliche einvernehmliche Aufhebung, Rücktritt), nichts an der prozessbeendigenden Wirkung des Vergleichs (BeckOKBGB/Fischer § 779 Rz 105).

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