Rn 23

Soweit sich das Betriebsrisiko, also das Risiko des Arbeitsausfalls, verwirklicht, muss der ArbG die Arbeitsvergütung fortzahlen, auch wenn er den ArbN nicht beschäftigen kann. Betriebsrisiko ist das Risiko, den ArbN aus betriebstechnischen Gründen nicht einsetzen zu können (BAG NZA 16, 1608; 09, 913 [BAG 22.04.2009 - 5 AZR 310/08]), Wirtschaftsrisiko ist das Verwendungsrisiko, also das Risiko, dass der Einsatz wegen Auftrags- oder Absatzmangels wirtschaftlich sinnlos wird (BAG aaO). Das Wirtschaftsrisiko trägt der ArbG nach 1, das Betriebsrisiko nach 3. Jedenfalls das Wirtschaftsrisiko kann der ArbG durch Einführung von Kurzarbeit mildern (§ 611 Rn 68; BAG NZA 09, 913; ie Bauer/Günther NZA 20, 419; Röder/Chakrabarti DB 20, 1960). Zum Betriebsrisiko zählen ua: Beeinträchtigungen durch Unterbrechung der Versorgung mit Rohstoffen (RAG ARS 14, 363), Strom (BAG AP Nr 33 zu § 615 – ›Betriebsrisiko‹), Gas bzw Wasser, oder durch Defekt einer Maschine (RAG ARS 8, 260), Naturkatastrophen, extreme Witterungsverhältnisse (vgl BAG NZA 09, 913 [BAG 22.04.2009 - 5 AZR 310/08]), Einstellung des Betriebes wegen fehlender behördlicher Genehmigungen oder aufgrund behördlicher Verbote (BAG DB 63, 836); jedoch nicht Betriebsschließungen aufgrund Pandemie gem §§ 2832 IfSG (BAG NJW 22, 2867 [BAG 04.05.2022 - 5 AZR 366/21]; iE Greiner NZA 22, 665); zum Betriebsrisiko bei Leistungsstörungen im Homeoffice Pfrang/Fleischhauer ArbRAktuell 22, 634. Nicht zum Betriebsrisiko zählt das Wegerisiko des ArbN (BAG DB 83, 396), der Entzug einer dem ArbN persönlich erteilten Einsatzgenehmigung (BAG NZA 16, 1608) oder ein vom AN ausgelöstes Hausverbot eines Kunden des AG (BAG NZA 17, 124 [BAG 28.09.2016 - 5 AZR 224/16]); insoweit besteht kein Vergütungsanspruch nach § 615.

 

Rn 24

Besonderheiten bestehen beim Arbeitskampfrisiko: bei Teilstreik des Betriebes kann der ArbG den kampfbetroffenen Betrieb oder Betriebsteil stilllegen und auch die arbeitswilligen ArbN ohne Vergütung freistellen (BAG NZA 12, 995 [BAG 13.12.2011 - 1 AZR 495/10]; 09, 1347 [BAG 22.09.2009 - 1 AZR 972/08]). Die Vergütungspflicht entfällt auch bei rechtmäßiger Aussperrung (BAG NZA 96, 212 [BAG 27.06.1995 - 1 AZR 1016/94]). Fernwirkungen eines Streiks (vgl EuGH NZA 08, 124 – Viking) gehören zum Betriebsrisiko, es sei denn, sie sind geeignet, das Kräfteverhältnis der Tarifvertragsparteien zu beeinflussen (BAG NJW 81, 937 [BAG 22.12.1980 - 1 ABR 2/79]). Das Betriebsrisiko trägt der ArbG jedoch nicht, wenn damit die Existenz des Betriebes gefährdet würde (BAG DB 73, 187 [BAG 28.09.1972 - 2 AZR 506/71]). Beim Wellenstreik tragen die Streikenden das Vergütungsrisiko, wenn dem ArbG Arbeitsplanung unmöglich oder unzumutbar ist (BAG NJW 97, 1801 [BAG 12.11.1996 - 1 AZR 364/96]). Hat der ArbG Arbeit an Fremdunternehmen ausgegeben und bleibt erwarteter Vollstreik aus, trifft ihn das Betriebsrisiko (BAG NJW 99, 2388 [BAG 15.12.1998 - 1 AZR 289/98]).

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