Rn 4

Der Widerspruch des Mieters (vgl Harz AnwZert MietR 6/2015 Anm 1) – bei Vertrag zugunsten Dritter auch des Dritten (AG Hambg-Altona ZMR 11, 882) – ist nur dann wirksam, wenn die vertragsmäßige Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine nicht zu rechtfertigende Härte bedeutet (§ 574 I 1). Der Schutz des räumungsunfähigen Mieters kann im Fall einer fristlosen Kündigung nicht über die Sozialklausel der §§ 574, 574a bewirkt werden (LG München I ZMR 16, 449). Die besonderen Belange des Mieters im Einzelfall (individuelle Härte; LG Heilbronn WuM 22, 375) sind (erst) auf Widerspruch zu berücksichtigen, BGH ZMR 17, 722 und 791.

I. Geschützter/berechtigter Personenkreis.

 

Rn 5

Privilegiert sind nach § 574 I 1 neben dem vertragstreuen (AG Lörrach WuM 12, 565; nicht nach Schonfristzahlung BGH ZMR 20, 932) Mieter und seiner Familie auch die anderen ›Angehörigen seines Haushaltes‹, dh Personen, die dauerhaft und nicht nur vorübergehend im Haushalt des Mieters wohnen, wie Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Pflegekinder oder Kinder des Lebenspartners. Str ist, ob diese Personen als Untermieter noch privilegiert sind (vgl Franke ZMR 93, 93). Es genügt, wenn die Härte bei einem Familienmitglied des Mieters oder bei einer Mehrheit von Mietern bei einem dieser Mieter vorliegt, wobei die Fortsetzung des Mietverhältnisses dann für alle Mieter zu fordern ist.

II. Härte.

 

Rn 6

Die Beendigung des Mietverhältnisses stellt dann eine Härte (LG Berlin GE 15, 1165; LG München I ZMR 17, 978) für den Mieter dar, wenn zB eine betagte pflegebedürftige Mieterin, die an Depressionen sowie Anpassungsstörungen mit Angstkomponenten leidet, nur eingeschränkt gehfähig ist, in der Wohnung und Umgebung tief verwurzelt ist und die tägliche Unterstützung ihrer Tochter benötigt (AG Nürnberg WuM 20, 288). Nachträglich eingetretene Härtegründe können analog § 574 III bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung berücksichtigt werden (LG Bonn MietRB 22, 278).

1. Beschaffung angemessenen Ersatzraums.

 

Rn 7

Die Beschaffung des Ersatzwohnraumes (Fleindl WuM 19, 165) muss für den Mieter mehr als nur unbequem oder unangenehm sein, dh die mit einem Wohnungswechsel üblicherweise verbundenen Belastungen sind unbeachtlich (BGH ZMR 19, 668; NZM 20, 276). Die nicht vertraglich abgesicherte Aussage des Vermieters ein langfristiges Mietverhältnis eingehen zu wollen führt nicht zu einer Härte. Der Mieter ist nicht zu gravierenden Einschränkungen seines bisherigen Lebenszuschnitts verpflichtet. Dem Mieter wird die Zahlung einer höheren Miete für die neue Wohnung bis zur Grenze der ortsüblichen Miete zugemutet werden, wenn diese für den Mieter unter Berücksichtigung des gesamten Familieneinkommens tragbar ist (Franke ZMR 93, 93; LG Bremen WuM 03, 333). Bei der Zumutbarkeit der Lage der Wohnung für den Mieter, seine Familie und die anderen Angehörigen seines Haushalts ist die jeweilige Entfernung zu Arbeitsplatz, Schule, Kindergarten etc zu berücksichtigen. Bei Wohnungen im unteren Preissegment kann eine MietBegrV (§ 577a II) sowie die KappungsgrenzenVO indizieren, dass Mieter nicht in der Lage sein werden, sich zu auch nur annähernd gleichen, ihrer wirtschaftlichen Lage entsprechenden Bedingungen angemessen Ersatzwohnraum zu beschaffen (LG Berlin ZMR 18, 321; WuM 18, 584, enger LG Berlin GE 18, 998). Zu persönlichen und wirtschaftlichen Gründen vgl LG Osnabrück MietRB 20, 164.

 

Rn 8

Eine Ersatzraumbeschaffungspflicht in Form nachhaltigen Bemühens trifft den Mieter grds sobald ihm die Kündigung der Wohnung zugegangen ist (Köln ZMR 04, 33; Gather DWW 95, 5). Ausnahme: der Mieter geht aus begründetem Anlass davon aus, dass der Vermieter kein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat oder er kann aufgrund besonderer Umstände (Härte) mit einer Fortsetzung des Mietverhältnisses rechnen. Zu erschwerten Umständen bei der Beschaffung von Ersatzraum vgl AG Lübeck WuM 22, 285, LG Bonn NJW-RR 90, 973. Der Mieter darf sich grds bei der Suche nicht auf seine bisherige Wohngegend beschränken (LG Hamburg ZMR 03, 265).

2. Umzug unzumutbar.

 

Rn 9

Ist der Umzug nur zeitweilig unzumutbar, kann nicht auf die Einräumung einer gerichtlichen Räumungsfrist gem § 721 ZPO verwiesen werden, auch wenn diese die Härte wesentlich abmildert. Der Vermieter hat während der Räumungsfrist nämlich nur eine eingeschränkte Erhaltungspflicht. Gerade bei älteren Mietern ist deren Verwurzelung (BGH ZMR 21, 470: langjährige Mietdauer lässt als solche noch nicht auf eine tiefe Verwurzelung schließen; zur Verletzung der Menschenwürde LG Berlin ZMR 21, 743) in einem bestimmten Haus oder einer Wohngegend zu berücksichtigen (LG Hamburg DWW 91, 189); auf eine Unterbringung in einem Altenheim muss sich der Mieter nicht verweisen lassen (Karlsr NJW 70, 1746). Dem betagten Mieter ist auch dann ein Umzug nicht zuzumuten, wenn er aufgrund seines Alters oder weil er allein lebt, nicht mehr in der Lage ist, sich auf eine neue Wohnsituation einzustellen (AG Mühldorf ZMR 99, 562). Aber: Hohes Alter (Beuermann GE 19, 586) oder eine enge Be...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge