Rn 4

Nach der Generalklausel in § 543 I 1 können beide Parteien das Mietverhältnis aus wichtigem Grund kündigen. Wann ein wichtiger Grund vorliegt, ist in 2 ausgeführt. Hiernach kommt es darauf an, ob dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dies ist häufig bei einer gravierenden Pflichtverletzung der anderen Vertragspartei der Fall (zB BGH NJW-RR 20, 1275 [BGH 25.08.2020 - VIII ZR 59/20]). Ein Verschulden ist gem 2 nicht mehr zwingend erforderlich (BGH NJW 16, 2805), bleibt aber ein gewichtiges Indiz. Das Fehlverhalten von Erfüllungsgehilfen ist zurechenbar (BGH NJW 16, 2805 [BGH 29.06.2016 - VIII ZR 173/15]: Behörde ist kein Erfüllungsgehilfe; vgl. Frankf IMR 19, 190: Pflichtverletzungen durch Verwandte des Mieters). Aus der gesetzlichen Hervorhebung des Verschuldens in 2 folgt, dass an eine fristlose Kündigung ohne Verschulden strenge Anforderungen zu stellen sind (Grüneberg/Weidenkaff § 543 Rz 33). Insb darf nicht der Kündigende selbst die Zerrüttung des Vertragsverhältnisses verschuldet haben (BGH NJW-RR 07, 884; ZMR 05, 120). Vielmehr muss der wichtige Grund regelmäßig aus dem Bereich des Kündigungsempfängers resultieren (Rostock IMR 20, 418). Überdies ist iRd Gesamtwürdigung jedes eigene vertragswidrige Verhalten des Kündigenden zu berücksichtigen (KG IMR 18, 103). Die Beweislast für das Vorliegen des Kündigungsgrundes trifft den Kündigenden.

 

Rn 5

Bsp: Mehrfache erhebliche Verstöße gegen die Hausordnung (Grüneberg/Weidenkaff § 543 Rz 39); Beleidigungen (LG Düsseldorf ZMR 81, 116; LG Köln WuM 93, 349 [LG Köln 21.01.1993 - 1 S 365/92]) bzw Tätlichkeiten (LG Köln WuM 81, 233 Angehörige); leichtfertige Erstattung einer Strafanzeige (BVerfG NZM 02, 61 [BVerfG 02.10.2001 - 1 BvR 1372/01]), anders bei schutzwürdigem Aufklärungsinteresse (LG Mannheim NJW-RR 00, 675).

 

Rn 6

Für den Vermieter: Gravierende Störung des Hausfriedens (BGH NJW-RR 20, 1275 [BGH 25.08.2020 - VIII ZR 59/20]); Fortdauernde unpünktliche Zahlung der Miete bzw Betriebskosten (für Wohnraummiete BGH NJW 16, 2805 [BGH 29.06.2016 - VIII ZR 173/15]; NJW 11, 2570: Zahlung zur Monatsmitte; für Gewerberaummiete BGH NJW-RR 97, 203 [BGH 06.11.1996 - XII ZR 60/95]) – nach Abmahnung (Rn 25) kann eine einzige weitere unpünktliche Zahlung genügen (BGH ZMR 06, 425), anders aber bei jahre- oder jahrzehntelanger unbeanstandeter Hinnahme der unpünktlichen Zahlung durch den Vermieter (BGH NJW 11, 2201); Erklärung des Insolvenzverwalters, die Miete nicht an den Vermieter weiterzuleiten (BGH ZMR 05, 688); beharrlicher Verstoß des Mieters gg die ihm obliegenden Obhutspflichten (vgl BGH NZM 16, 550: unzureichendes Lüften u Heizen der Mietwohnung); Nichtzahlung der Kaution durch Gewerberaummieter (BGH NJW-RR 07, 886); Bauliche Veränderung entgegen rechtskräftigem Urt (BVerfG NJW 96, 1736); Verstoß gegen vertragliche Betriebspflicht (BGH ZMR 93, 57) oder erheblicher Verstoß gegen Mietzweck (Köln NJW 11, 314) bei Gewerberaummiete; Vortäuschen eines erheblichen Mangels durch den Mieter (Ddorf ZMR 12, 183); erfundene ›Vorvermieterbescheinigung‹ über Dauer des Vormietvertrages und Erfüllung der Mietzahlungspflicht (BGH NJW 14, 1954) oder wiederholt unrichtige Umsatzangabe bei Umsatzpacht (Ddorf NZM 01, 1033); Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflicht (Dresd ZMR 12, 941 – Verkauf von ›Thor Steinar›-Artikeln), nicht: Rauchen in der Wohnung (BGH NJW 15, 1239 – Ausnahme: ›exzessives‹ Rauchen); Entfernung des Vermieters aus Mietwohnung nach unberechtigtem Zutritt ohne konkreten sachlichen Grund (BGH NJW 14, 2566); Bestreiten von Abmahnungszugang (LG Köln ZMR 96, 666); Vielzahl von Prozessen als solche (Hamm NJW-RR 93, 16); Störung von Verkaufsgesprächen durch Meinungsäußerung (VGH Berlin ZMR 08, 605).

 

Rn 7

Für den Mieter: Konkurrenzschutzverstoß (vgl Celle IMR 22, 142); Leerstandsflächen in Einkaufszentrum (vgl. Köln IMR 19, 189); bewusst unrichtige Angabe der Betriebskostenhöhe (LG Düsseldorf NZM 02, 604; LG Hamburg ZMR 03, 683); Verweigerung der Erlaubnis zur Untervermietung (§ 540 I 2); unberechtigte Ausübung des Vermieterpfandrechts/Verhinderung der Entfernung von Gegenständen aus den Mieträumen (Ddorf ZMR 12, 943); unberechtigte fristlose Kündigung des Vermieters (Ddorf NZM 02, 292), nicht aber, wenn der Mieter hierzu Anlass gegeben hat (Ddorf ZMR 97, 596); ebenso wenig genügt der Vermögensverfall des Vermieters, selbst wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird und die Handelsregisterlöschung der vermietenden Gesellschaft erfolgt ist, solange sich dieser nicht in der Wertschätzung des Mietobjekts niedergeschlagen hat (BGH NJW-RR 02, 946 [BGH 23.01.2002 - XII ZR 5/00]); auch nicht enttäuschte Erwartung bezüglich der Gewinnerzielung in den Mieträumen (BGH NJW 00, 1714 [BGH 16.02.2000 - XII ZR 279/97]) oder schwere Erkrankung des Mieters (Ddorf NZM...

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