Gesetzestext

 

(1) 1Hat der eine oder der andere Teil mehrere zur Aufrechnung geeignete Forderungen, so kann der aufrechnende Teil die Forderungen bestimmen, die gegeneinander aufgerechnet werden sollen. 2Wird die Aufrechnung ohne eine solche Bestimmung erklärt oder widerspricht der andere Teil unverzüglich, so findet die Vorschrift des § 366 II entsprechende Anwendung.

(2) Schuldet der aufrechnende Teil dem anderen Teil außer der Hauptleistung Zinsen und Kosten, so findet die Vorschrift des § 367 entsprechende Anwendung.

A. Überblick.

 

Rn 1

§ 396 regelt die Forderungsmehrheit bei der Haupt- und bei der Aufrechnungsforderung. Die Vorschrift enthält für die Aufrechnung parallele Regelungen zu den Erfüllungsvorschriften der §§ 366, 367. Ihr Zweck besteht auch darin, die Wirksamkeit der Aufrechnung abzusichern. Dabei trägt § 396 dem Umstand Rechnung, dass bei der Aufrechnung die Initiative zur Tilgung der Aufrechnungsforderung vom Schuldner (auch als Gläubiger der Aufrechnungsforderung) ausgeht. Das Bestimmungsrecht des § 366 I wird daher in § 396 I 2 Alt 2 zum Widerspruchsrecht des Gläubigers (auch als Schuldner der Aufrechnungsforderung). Folgerichtig besteht es nur, wenn auch der Gläubiger zur Aufrechnung befugt ist (Grüneberg/Grüneberg Rz 1). Die Ausübung des Widerspruchsrechts führt allerdings nicht dazu, dass der Gläubiger nun seinerseits bestimmen darf, welche Forderung als Aufrechnungsforderung herangezogen wird.

 

Rn 2

§ 396 I regelt das Verhältnis mehrerer Forderungen zueinander, § 396 II das Verhältnis zwischen einer Forderung und einer hieraus resultierenden Nebenforderung. Stehen dem Schuldner mehrere Hauptforderungen zu, mit denen Nebenforderungen einhergehen, so ist der Anwendungsbereich beider Absätze des § 396 berührt. In diesem Fall ist zunächst nach § 396 I zu ermitteln, welche Forderung zur Aufrechnung heranzuziehen ist. Ist diese Forderung ermittelt, so gilt im Verhältnis dieser Forderung zu den zugehörigen Nebenforderungen § 396 II. Insofern kann man von einem Vorrang von § 396 I sprechen. Die Vorschrift gilt nicht für Aufrechnungsvereinbarungen (RGZ 132, 118, 221).

B. Mehrere Forderungen.

 

Rn 3

§ 396 regelt dem Wortlaut nach sowohl den Fall des Bestehens mehrerer Hauptforderungen wie den Fall mehrerer Aufrechnungsforderungen. Die Vorschrift erfasst aber auch den Fall, dass sich mehrere Hauptforderungen und mehrere Aufrechnungsforderungen gegenüberstehen (BGH NJW 04, 2230, 2232). Wie § 366 gilt § 396 auch dann, wenn mehrere Einzelforderungen auf demselben Schuldverhältnis iwS beruhen (BGH NJW 04, 2230, 2232 [BGH 24.03.2004 - VIII ZR 44/03]). Im Falle mehrerer möglicher Aufrechnungsforderungen hat zunächst der Schuldner ein Wahlrecht, welche er zur Aufrechnung nutzt. Eine vertragliche Beschränkung dieser Auswahlbefugnis des Schuldners ist möglich (hiervon ausgehend BGH NJW 84, 2455). Macht der Schuldner von seiner Auswahlbefugnis keinen Gebrauch oder widerspricht der Gläubiger unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern, § 121 I), so gilt sowohl im Verhältnis mehrerer Hauptforderungen untereinander als auch im Verhältnis mehrerer Aufrechnungsforderungen die gesetzliche Tilgungsreihenfolge nach der Kriterienleiter des § 366 II (Fälligkeit, geringere Sicherheit, Lästigkeit, Alter, verhältnismäßige Tilgung der verbleibenden Forderungen). So kommt bei mehreren Aufrechnungsforderungen die nach § 215 zulässige Aufrechnung mit einer verjährten Forderung vorrangig zum Zuge, weil sie die geringere Sicherheit bietet (BGH NJW 87, 181, 182 [BGH 02.10.1986 - III ZR 163/85]). Entspr gilt bei mehreren Hauptforderungen.

 

Rn 4

Für die Bestimmung durch den Schuldner gilt nach Rechtsnatur und Voraussetzungen das Gleiche wie für eine Tilgungsbestimmung nach § 366 I (§ 366 Rn 12 ff). Der Schuldner muss die Ausübung des Bestimmungsrechts aus § 396 I 1 beweisen (Brandbg ZInsO 09, 522).

 

Rn 5

Im Falle der Bestimmung durch den Schuldner steht dem Gläubiger ein Widerspruchsrecht zu. Der Widerspruch wird ausgeübt durch eine empfangsbedürftige Erklärung des Gläubigers. Der Rechtsnatur nach handelt es sich um eine Willenserklärung, namentlich eine Gestaltungserklärung, die unmittelbar auf die Rechtsfolge gerichtet ist, den Eintritt der Wirkung der Bestimmung durch den Schuldner zu verhindern. Der Widerspruch kann ausdrücklich oder stillschweigend erklärt werden. Es muss dem Schuldner ggü zum Ausdruck gebracht werden, dass der Gläubiger die durch den Schuldner erklärte Bestimmung nicht hinnimmt. Dies kann dadurch geschehen, dass der Gläubiger dem Schuldner eine Forderungsaufstellung übersendet, aus der sich der Widerspruch des Schuldners ersehen lässt. Nicht ausreichend ist eine solche Aufstellung allerdings dann, wenn für den Schuldner nicht ersichtlich ist, ob der Gläubiger nur die Bestimmung nicht hinnehmen will oder ob er die Aufrechnung gar nicht zur Kenntnis genommen bzw berücksichtigt hat. Der Widerspruch muss unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern erfolgen.

C. Nebenforderungen.

 

Rn 6

§ 396 II regelt den Fall einer zur vollständigen Tilgung aller Haupt- und Nebenforderungen unzureichenden Aufrechnu...

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