Gesetzestext

 

(1) Die Mitgliederversammlung ist zu berufen, wenn der durch die Satzung bestimmte Teil oder in Ermangelung einer Bestimmung der zehnte Teil der Mitglieder die Berufung schriftlich unter Angabe des Zweckes und der Gründe verlangt.

(2) 1Wird dem Verlangen nicht entsprochen, so kann das Amtsgericht die Mitglieder, die das Verlangen gestellt haben, zur Berufung der Versammlung ermächtigen; es kann Anordnungen über die Führung des Vorsitzes in der Versammlung treffen. 2Zuständig ist das Amtsgericht, das für den Bezirk, in dem der Verein seinen Sitz hat, das Vereinsregister führt. 3Auf die Ermächtigung muss bei der Berufung der Versammlung Bezug genommen werden.

A. Verlangen der Einberufung.

 

Rn 1

Die Vorschrift gilt auch für den nichtrechtsfähigen Verein (auch politische Partei, KG NZG 21, 166 [KG Berlin 05.10.2020 - 22 W 1035/20]) und die Delegiertenversammlung und ermöglicht minderheitenschützend, die Mitgliederversammlung zu erzwingen, aber auch in entspr Anwendung, bestimmte Tagesordnungspunkte anzukündigen (Hamm MDR 73, 929). Das gesetzliche Einberufungsquorum beträgt 10 % der Mitglieder. Die Satzung kann hiervon abweichen, nach hM auch ein höheres Quorum verlangen, zB 20 % (BayObLG NJW-RR 01, 431 [BayObLG 16.03.2000 - 4 Z Sch 50/99]) oder 25 %, aber nicht 50 % (Celle Rpfleger 11, 278 [OLG Nürnberg 22.12.2010 - 7 WF 1773/10]). Richtigerweise sind 10 % in Anlehnung an §§ 122 I AktG, 45 GenG als Höchstgrenze anzusehen (Reichert/Wagner Kap 2 Rz 1212). Überschreitet die Festlegung absoluter Mitgliederzahlen die 10 %-Grenze, ist die entspr Satzungsbestimmung daher unwirksam, nach aA ist nur der Umstand zu berücksichtigen, dass sich die Mitgliederzahl verringern kann (Stuttg NJW-RR 86, 995 [OLG Stuttgart 27.01.1986 - 8 W 252/85]). Das Minderheitenrecht nicht stimmberechtigter Mitglieder kann die Satzung nicht einschränken (Ddorf Rpfleger 13, 539 [OLG Düsseldorf 28.05.2013 - I-3 Wx 43/13]). Die besonderen Bedingungen unter der COVID-19-Pandemie machten das Einberufungsverlangen nicht rechtsmissbräuchlich (München NZG 21, 79 [OLG München 23.11.2020 - 31 Wx 405/20]).

 

Rn 2

Das Einberufungsverlangen muss schriftlich abgefasst (§ 126), von der erforderlichen Mitgliederzahl unterschrieben werden und dem Einberufungsorgan (Vorstand) zugehen. Einzelne gleich lautende Schreiben genügen. Zweck (Beschlussgegenstände) und Gründe (Erforderlichkeit der Einberufung) sind anzugeben. Der Vorstand hat nur ein formelles, kein materielles Prüfungsrecht, kann aber einen offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Antrag ablehnen (Reichert/Wagner Kap 2 Rz 1223, 1241). Zum grds Anspruch auf Herausgabe der Mitgliederadressen München NJW-Spezial 16, 272; BGH NZG 10, 1430 [BGH 21.06.2010 - II ZR 219/09], dazu Römermann NZG 11, 56; LG Köln SpuRt 12, 115 [LG Köln 27.09.2011 - 27 O 142/11].

B. Einberufungsermächtigung.

 

Rn 3

Kommt das zuständige Vereinsorgan dem Einberufungsverlangen nicht nach und ist der vereinsinterne Rechtsweg ausgeschöpft, kann die gerichtliche Ermächtigung von dem Quorum (KG FGPrax 20, 218) beantragt werden. Sind die verlangten Tagesordnungspunkte behandelt worden, scheidet eine Ermächtigung aus (KG FGPrax 21, 208). Es entscheidet der Rechtspfleger (§ 3 Nr 1a RPflG) im FamFG-Verfahren, eine Klage ist unzulässig. Zuständig ist das AG des Vereinssitzes. Ein Antragsrecht haben nur die Mitglieder, die nach I vorgegangen sind. Das Gericht hört idR den Vorstand an (§ 34 FamFG) und prüft die formellen Voraussetzungen des Einberufungsverlangens und ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt. Eine weitergehende materielle Prüfung findet nicht statt (Reichert/Wagner Kap 2 Rz 1236 ff). Liegen die Voraussetzungen vor, hat das Gericht die Ermächtigung durch bekanntzumachenden (§ 41 FamFG) Beschl auszusprechen, es besteht kein Ermessensspielraum (Reichert/Wagner Kap 2 Rz 1240). Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde eröffnet (§ 58 FamFG). Mangels aufschiebender Wirkung scheitert die Einberufung nicht an einer Beschwerde; allerdings sind nach § 64 III FamFG einstweilige Anordnungen möglich.

 

Rn 4

Die Ermächtigung kann auch den Vorsitz der Versammlung regeln (§ 37 II 1). Sie lässt das Einberufungsrecht des Vorstands unberührt (Stuttg Rpfleger 04, 106 [OLG Stuttgart 22.07.2003 - 8 W 220/03]; BayObLG NZG 04, 1017 [BayObLG 16.07.2004 - 3 Z BR 100/04]) und berechtigt nicht zur Eventualeinberufung ohne Satzungsgrundlage (Köln Rpfleger 09, 237, 239 [OLG Köln 24.11.2008 - 2 Wx 43/08]). Zur Doppeleinberufung s § 32 Rn 3. Die Kosten der von der Minderheit einberufenen Versammlung trägt der Verein, der Ersatzanspruch folgt aus § 670 (Reichert/Wagner Kap 2 Rz 1275; Wagner ZZP 105 (1992), 294, 306).

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