Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage des Rügeverlustes im Anerkennungs- und Vollstreckbarkeitserklärungsverfahren, wenn das Schiedsverfahren aufgrund mangelnder Zustellung ohne Beteiligung des Schiedsbeklagten durchgeführt wurde.

 

Normenkette

ZPO n.F. § 1061

 

Tenor

I. Der zwischen den Parteien am 1. November 1996 ergangene Schiedsspruch des Internationalen Handelsschiedsgerichts bei der Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation (Fall Nr. 309/1995) ist im Inland nicht anzuerkennen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtlichen Verfahrens.

III. Der Wert der Beschwer der Antragsstellerin beträgt 62 792,23 DM.

 

Gründe

I.

Die Parteien schlossen zunächst am 4.3.1994 einen Vertrag über die Lieferung von Braunkohlebriketts zu Preisen von 92 DM je Tonne für verpackte Ware und von 67 DM je Tonne für lose Ware. Die Antragstellerin lieferte daraufhin 1 556,775 Tonnen Braunkohlenbriketts und berechnete hierfür 121 714,26 DM. Der Antragsgegner bezahlte hierauf 74 411,97 DM. Über den Restbetrag von 47 302,29 DM stellte er einen Scheck aus, der jedoch storniert wurde.

Am 4.1.1995 schlossen die Parteien einen weiteren Vertrag über die Lieferung von 100 000 Tonnen verpackter Braunkohlebriketts zum Einzelpreis von 92 DM je Tonne. Aufgrund dieses Vertrages lieferte die Antragstellerin Ware im Wert von 10 134,94 DM. Der Antragsgegner stellte wiederum über diesen Betrag einen Scheck aus, der nicht beglichen wurde.

Gemäß Ziffer 9 der beiden Verträge (Arbitrage) vereinbarten die Parteien, Streitigkeiten, die nicht auf friedlichem Wege zu regeln seien, dem Schiedsgericht der Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation zu übergeben.

Aufgrund einer mündlichen Verhandlung vom 1.11.1996, zu der der Antragsgegner nicht erschienen und in der er auch nicht vertreten war, verurteilte das Schiedsgericht mit Schiedsspruch vom gleichen Tage (Fall 309/1995) den Antragsgegner zur Zahlung von 57 437,23 DM sowie 4 355 DM als Erstattung der Arbitragegebühr und 1 000 DM als Rückvergütung der Ausgaben der Antragstellerin, die im Zusammenhang mit dem Schutz ihrer Interessen beim Schiedsgericht entstanden seien. Im übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Unter Vorlage des Schiedsspruchs vom 1.11.1996 und der Verträge vom 4.3.1994 und 4.1.1995 jeweils in russischer Sprache und deutscher Übersetzung beantragt die Antragstellerin, diesen Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, dem Antragsgegner die Kosten aufzuerlegen sowie den Beschluß für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzuweisen.

Er trägt vor, der Scheck über 47 302,29 DM sei übergeben, jedoch wieder gesperrt worden, da die Antragstellerin ihre Zusage, umgehend gebündelte Ware zu liefern, nicht eingehalten habe und auch nicht einhalten habe können. Von der vereinbarten Liefermenge seien bereits 30 000 Tonnen zum Einzelpreis von 220 DM je Tonne weiter verkauft gewesen. Infolge der Nichtlieferung sei ein Schaden von 44 DM je Tonne oder insgesamt von 1 320 000 DM entstanden. Mit diesem Betrag werde aufgerechnet. Die Antragstellerin sei nicht Vertragspartnerin des Antragsgegners gewesen. Es werde bestritten, daß die Antragstellerin Rechtsnachfolgerin der Vertragspartnerin sei. Der Schiedsspruch sei für den Antragsgegner nicht bindend, da diesem weder der Antrag noch die weiterleitenden Verfügungen noch die Entscheidung des Schiedsgerichts zugestellt worden seien.

Die Antragstellerin bestreitet den Vorbehalt der Lieferung weiterer 95 000 Tonnen gebündelter Ware und den behaupteten Schaden. Die Antragstellerin sei Vertragspartner in beider Verträge gewesen. Die Entscheidung des Schiedsgerichts sei in Übereinstimmung mit den vereinbarten gesetzlichen Regelungen ergangen. Hierzu habe das Schiedsgericht sich geäußert. Nach Art. 3 des Gesetzes über das Internationale Handelsschiedsgericht gelte die gesetzliche Fiktion der Zustellung, auch wenn eine Benachrichtigung über die Zustellung unter der Anschrift des Antragsgegners nicht zu den Gerichtsakten gelange.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist zulässig. Dem Schiedsspruch war jedoch die Anerkennung im Inland zu versagen.

1. Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus § 1025 Abs. 4, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 und Abs. 5 i. V. m. § 6 a GZVJu n. F. Der Antragsgegner hat seinen Sitz in Bayern.

Gemäß Art. 4 § 1 Abs. 3 SchiedsVfG vom 22.12.1997 ist für das gerichtliche Verfahren das ab dem 1.1.1998 geltende Recht anzuwenden, da der vorliegende Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung des am 1.11.1996 ergangenen Schiedsspruchs erst nach dem Stichtag 1.1.1998 eingereicht wurde.

2. Dem Antrag konnte nicht stattgegeben werden, vielmehr mußte dem Schiedsspruch die Anerkennung im Inland versagt werden (§ 1061 Abs. 2 ZPO), weil der Antragsgegner, gegen den der Schiedsspruch geltend gemacht wird, von dem schiedsrichterlichen Verfahren nicht gehöri...

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