Rn 1

Die Zivilrechtsordnung kennt unterschiedliche Tatbestände des Erlöschens des Schuldverhältnisses. Grundtatbestand hierfür ist die in § 362 geregelte Erfüllung. Diese Vorschrift enthält die grundl Anordnung, dass das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung bewirkt wird. Neben der Erfüllung kennt das BGB die erfüllungsähnlichen Fälle der Leistung an Erfüllungs statt und der Leistung erfüllungshalber. Ferner kann der Schuldner das Schuldverhältnis durch Erfüllungssurrogate zum Erlöschen bringen. Das Gesetz regelt als Erfüllungssurrogate namentlich die Aufrechnung (§§ 387–396) und die Hinterlegung unter Rücknahmeverzicht (§§ 372–386). Schließlich kann der Gläubiger dem Schuldner die Forderung erlassen (§ 397 I) oder deren Nichtbestehen durch ein negatives Schuldanerkenntnis vertraglich anerkennen (§ 397 II).

 

Rn 2

Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit steht es den Parteien frei, weitere Erlöschenstatbestände für das Schuldverhältnis zu vereinbaren. Dies kann etwa in Form einer Verrechnungsabrede (teilw auch als Aufrechnungsvertrag bezeichnet) geschehen (BGHZ 94, 132; NJW-RR 03, 1358). Ebenso kann die ›Hinterlegung‹, dh Einzahlung, auf einem Notaranderkonto Erfüllungswirkung haben, wenn die Parteien dies ausnahmsweise verabreden (BGHZ 87, 156). Möglich ist ferner, dass nicht schon die Zahlung auf das Notaranderkonto, aber auch nicht erst die Auszahlung an den Gläubiger, sondern der dazwischenliegende Zeitpunkt des Eintritts der Auszahlungsreife zur Erfüllung führt (BGH NJW 94, 1403). Auch durch Aufhebungsvertrag, der über den Erlassvertrag hinausgehend das Schuldverhältnis iwS betrifft, können die Parteien die Forderung zum Erlöschen bringen. Vereinigen sich Forderung und Verbindlichkeit in einer Person, so erlöschen die gegenseitigen Ansprüche durch Konfusion (Köln NJW-RR 92, 1337). Die bloße Annahme einer unzureichenden Leistung führt hingegen nicht zum Erlöschen, sondern nach § 363 nur zu einer Beweislastumkehr (BGH NJW 96, 1207 [BGH 23.01.1996 - XI ZR 75/95]). Der Wegfall des Schuldners führt dann zum Erlöschen der Forderung, wenn kein Erbe oder Rechtsnachfolger existiert, was nur bei nachfolgelos aufgelösten juristischen Personen oder bei solchen natürlichen Personen in Betracht kommt, für die ein anwendbares ausländisches Erbrecht keinen Nachlassschuldner vorsieht.

 

Rn 3

Grds ist es auch vorstellbar, dass die Parteien die Erfüllungswirkung hinauszögern. Hierauf können namentlich sog Tilgungsverrechnungsklauseln zielen, sofern sie – insb bei Darlehensverträgen – der Zahlung erst mit Verzögerung Tilgungswirkung zukommen lassen (zur Begriffsbildung in Abgrenzung zur bloßen Zinsberechnung und zu AGB-rechtlichen Schranken BGH NJW 92, 1097 [BGH 11.02.1992 - XI ZR 151/91]). Der gänzliche Ausschluss des Erfüllungseintritts kann wegen seines perplexen (widersprüchlichen) Inhalts nicht wirksam vereinbart werden, weil die Forderung auf das Bewirken der Leistung gerichtet ist.

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