Gesetzestext

 

(1) Das nach dieser Verordnung für das außervertragliche Schuldverhältnis maßgebende Recht ist insoweit anzuwenden, als es für außervertragliche Schuldverhältnisse gesetzliche Vermutungen aufstellt oder die Beweislast verteilt.

(2) Zum Beweis einer Rechtshandlung sind alle Beweisarten des Rechts des angerufenen Gerichts oder eines der in Artikel 21 bezeichneten Rechte, nach denen die Rechtshandlung formgültig ist, zulässig, sofern der Beweis in dieser Art vor dem angerufenen Gericht erbracht werden kann.

 

Rn 1

Art 22 (Parallelregelung für vertragliche Schuldverhältnisse: Art 18 ROM I) betrifft Beweisfragen und präzisiert Art 1 III. Ausgehend vom Grundsatz, dass für Verfahrensfragen die lex fori maßgebend ist, werden wichtige Ausnahmen bzw Ergänzungen geregelt.

 

Rn 2

Nach Art 22 I gilt das für das außervertragliche Schuldverhältnis maßgebende Recht auch hinsichtlich der dort enthaltenen gesetzlichen Vermutungs- oder Beweislastverteilungsregeln (einschl der Regeln über Darlegungs-, Behauptungs- und Beweisführungslast, s nur Schack IZVR Rz 806; BeckOK/Spickhoff Art 22 Rz 2). Das ist sinnvoll, weil diese Regeln häufig untrennbar mit den Voraussetzungen einer Haftung aus einem außervertraglichen Schuldverhältnis verbunden sind, wie zB im deutschen Recht §§ 830 I 2, 831 I 2, 832 I 2, 833 2, 834 2, 836 I 2 BGB oder § 1 IV ProdHaftG. ›Gesetzlich‹ ist in einem weiten Sinne zu verstehen, so dass auch richterrechtliche Regeln erfasst werden können. Problematisch kann im Einzelfall die Abgrenzung zwischen sachrechtlichen Beweislastregeln, die von dem auf das außervertragliche Schuldverhältnis anwendbaren Recht erfasst werden, und prozessualen Beweisregeln oder Vermutungen, die der lex fori unterliegen, sein. Entscheidend sollte die enge Verknüpfung mit den Voraussetzungen der sachrechtlichen Anspruchsgrundlage, insb mit konkreten Tatbestandsmerkmalen, sein; besteht eine solche Verknüpfung nicht (wie zB bei §§ 286 f ZPO – dazu auch Wurmnest ZVglRWiss 16, 624, 640 f mwN, § 138 III ZPO, bei den Regeln über den Anscheinsbeweis, dazu Thole IPRax 10, 285, 287, die Beweisvereitelung, Thole aaO 288 f oder das Beweismaß, LG Karlsruhe BeckRS 20, 28265), handelt es sich um der lex fori unterliegende prozessuale Regeln (str für die Regeln über die Beweiswürdigung, wie hier zB Schack IZVR Rz 827; BeckOK/Spickhoff Art 22 Rz 3; Erman/Stürner Anh Art 42 EGBGB Art 22 ROM II Rz 3; BeckOGK/Varga Art 22 Rz 41; LG Saarbrücken NJW-RR 12, 885, 886 [LG Saarbrücken 09.03.2012 - 13 S 51/11]; aA Coester-Waltjen Internationales Beweisrecht Rz 354 ff; zum Anscheinsbeweis Saarbr BeckRS 20, 7100; AG Geldern NJW 11, 686, 687; Staudinger NJW 11, 650, 651 f; Staudinger/Nitkowski DAR 20, 471, 474; Wurmnest ZVglRWiss 16, 624, 637 ff).

 

Rn 3

Art 22 II modifiziert die – grds der lex fori unterstehenden – Regeln über Beweismittel für Formfragen in Fortführung des in Art 21 normierten Günstigkeitsprinzips: Für den Beweis einer Rechtshandlung iSd Art 21 (einseitige Rechtshandlung, die ein außervertragliches Schuldverhältnis betrifft) sind zusätzlich zu den Beweisarten der lex fori auch die Beweisarten der nach Art 21 bezeichneten Rechte (also des Rechts des Vornahmeortes bzw der lex causae) zulässig, sofern der Beweis in dieser Art vor dem angerufenen Gericht erbracht werden kann (was zB bei verfassungsrechtlich begründeten Beweisverwertungsverboten nicht der Fall sein dürfte, s.a. BeckOK/Spickhoff Art 22 Rz 4).

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