Rn 1

Die VO gilt – vorbehaltlich der Ausnahmen in Abs 2 – für außervertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen, Art 1 I. Der Begriff des außervertraglichen Schuldverhältnisses wird in Art 2 konkretisiert. Zivil- und Handelssachen werden nicht definiert; eine Konkretisierung lässt sich aus der Verwendung derselben Begriffe in Art 1 I Brüssel Ia-VO sowie aus der Negativabgrenzung zur Ausübung hoheitlicher Rechte ableiten (aA NK-BGB/Knöfel Art 1 Rz 17: Anlehnung an Art 6 I EMRK). Danach sind Zivil- und Handelssachen Streitigkeiten nicht öffentlich-rechtlicher Art (die Abgrenzung hat autonom zu erfolgen, s nur EuGH NJW 77, 489, 490; IPRax 81, 169, 173), unabhängig von der Art der Gerichtsbarkeit (Erw 8; für eine Einbeziehung von Schiedsgerichten G Wagner IPRax 08, 1, 3). Keine Zivil- oder Handelssachen sind insb die in Art 1 I 2 genannten Streitigkeiten, also Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten oder die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen iRd Ausübung hoheitlicher Rechte (›acta iure imperii‹, BGH NJW 11, 3584 [BGH 19.07.2011 - VI ZR 217/10] Rz 10). Entscheidend ist, ob der konkrete Anspruch aufgrund der Ausübung hoheitlicher Befugnisse entstanden ist (Leible/Lehmann RIW 07, 721, 722 mN; Vogeler VersR 11, 588, 595; jurisPK/Lund Art 1 Rz 27). Die Staatshaftung umfasst auch die persönliche Haftung von Staatsbediensteten sowie die Haftung für Handlungen öffentlicher Stellen (Erw 9), was insb bei Schadensersatzklagen wegen Kriegsverbrechen wichtig ist (s zB v Hein VersR 07, 440, 442; Leible/Lehmann RIW 07, 721, 722; G Wagner IPRax 08, 1, 2). Die Verbindung zum Recht verschiedener Staaten ist weit zu verstehen; auch ein Drittstaatenbezug reicht aus (s.a. Art 3). Nicht gegeben ist eine solche Verbindung, wenn von vornherein materielles Einheitsrecht, das in den beteiligten Mitgliedstaaten gilt, zur Anwendung kommt, so dass sich in diesen Fällen die Frage einer Heranziehung von Art 28 I nicht stellt (s insb Basedow RabelsZ 10, 118, 127 f).

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