Rn 94

Nr 12 enthält das umfassende Verbot einer Änderung der sich aus Gesetz oder Richterrecht ergebenden (objektiven oder subjektiven) Beweislast zum Nachteil des Kunden (BGH NJW 88, 258). Es genügt allein die Möglichkeit, dass der Richter aufgrund der Klausel die Anforderungen an den Beweis erhöht (BGH NJW 90, 765 [BGH 09.11.1989 - IX ZR 269/87]). Auch Beweismittelbeschränkungen und Änderungen des Beweismaßes oder der Grundsätze des Anscheinsbeweises sind gem Nr 12 unzulässig (BGH NJW 88, 258 [BGH 08.10.1987 - VII ZR 185/86]; W/L/P/Dammann § 309 Nr 12 Rz 14 f). Klauseln, welche die gesetzliche oder richterrechtliche Beweislastverteilung nur wiederholen, sind wegen § 307 III 1 wirksam (BGH NJW-RR 05, 1498 [BGH 20.07.2005 - VIII ZR 121/04]).

 

Rn 95

Nicht vom Verbot der Nr 12 erfasst, aber an § 307 zu messen sind vertragliche Abweichungen vom dispositiven Recht, die Änderungen der Beweislast mit sich bringen, wie bspw vorformulierte abstrakte oder deklaratorische Schuldanerkenntnisse (BGH NJW 03, 2388 [BGH 30.04.2003 - V ZB 71/02]; BAG NZA 16, 1409 [BAG 21.04.2016 - 8 AZR 474/14] Rz 63). Ebenfalls nur der Kontrolle nach § 307 unterliegen Zwangsvollstreckungsunterwerfungsklauseln (BGH NJW 02, 138; aA München BauR 00, 1760).

I. Regelbeispiele.

 

Rn 96

Nach Nr 12a sind Klauseln in Lagerverträgen unwirksam, wonach der Einlagerer die Beschädigung des Lagerguts und das Verschulden des Lagerhalters beweisen muss (BGH NJW 73, 1192 [BGH 28.03.1973 - I ZR 41/72]; 64, 1123 [BGH 17.02.1964 - II ZR 98/62]).

 

Rn 97

Vorformulierte Wissensbestätigungen, in denen sich der Kunde mit gewissen Besonderheiten des Geschäfts vertraut erklärt, führen zwar nicht zur Beweislastumkehr, erschweren dem Kunden aber den Gegenbeweis und verstoßen somit gegen Nr 12b (BGH ZIP 19, 376 Rz 34). Nr 12b gilt für alle vorformulierten Bestätigungen rechtlich relevanter Tatsachen, welche die Beweislast umkehren oder faktisch nachteilig verschieben (BGH NJW 87, 1634). Der Tatsachenbegriff ist weit zu verstehen. Er umfasst sowohl Bestätigungen über tatsächliche Vorgänge oder Zustände als auch wertende Bestätigungen (BRHP/Becker § 309 Nr 12 Rz 8) wie zB die Bestätigung, dass die AGB dem Kunden ausgehändigt, von ihm gelesen und verstanden (BGH NJW 88, 2108 [BGH 24.03.1988 - III ZR 21/87]) oder mit ihm individuell ausgehandelt wurden (BGH NJW 87, 1634 [BGH 28.01.1987 - IVa ZR 173/85]). Unzulässig sind ferner Klauseln, wonach der Kunde bestätigt, dass er die Risikohinweise in einem Emissionsprospekt zur Kenntnis genommen hat (BGH NJW-RR 19, 428 [BGH 10.01.2019 - III ZR 109/17]), dass der Verwender ihn über sein Widerrufsrecht als Verbraucher iSv § 355 belehrt hat (BGH NJW 19, 3231 [BGH 14.03.2019 - I ZR 134/18] Rz 29) oder dass alle Maßangaben in einer von Angestellten eines Möbelhauses angefertigten Skizze richtig sind (BGH NJW 86, 2574), sowie Klauseln, in denen der Minderjährige erklärt, er handele mit Einverständnis der Eltern (MüKo/Wurmnest § 309 Nr 12 Rz 18). In Fitnessverträgen sind Klauseln unwirksam, wonach der Kunde seine Gesundheit, Leistungsfähigkeit und umfassende Einweisung in das Trainingsprogramm bestätigt (BGH NJW-RR 89, 817 [BGH 20.04.1989 - IX ZR 214/88]). Vollständigkeitsklauseln, in denen bestätigt wird, dass ›mündliche Nebenabreden nicht getroffen wurden‹, geben lediglich die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der schriftlichen Vertragsurkunde wieder, lassen dem Vertragspartner aber die Führung des Gegenbeweises offen. Eine unwiderlegliche Vermutung für das Nichtbestehen mündlicher Abreden kann in AGB nicht begründet werden (BGH NJW-RR 21, 872 [BGH 03.03.2021 - XII ZR 92/19] Rz 13).

II. Empfangsbekenntnisse (Nr 12 Hs 2).

 

Rn 98

Gem Nr 12 Hs 2 sind vorformulierte Empfangsbekenntnisse (Wissenserklärung, § 368) vom Verbot der Nr 12b ausgenommen, sofern sie gesondert unterschrieben oder mit einer gesonderten qualifizierten Signatur versehen sind (BGH ZIP 19, 376 Rz 33; U/B/H/Habersack § 309 Nr 12 Rz 24). Danach ist keine besondere Urkunde erforderlich (MüKo/Wurmnest § 309 Nr 12 Rz 20). Jedoch muss sich die Erklärung klar vom eigentlichen Vertragstext absetzen und eindeutig den Bestätigungswillen des Kunden erkennen lassen (BGH NJW 88, 2108 [BGH 24.03.1988 - III ZR 21/87]; 87, 2014 [BGH 15.01.1987 - III ZR 153/85]). Enthält das Empfangsbekenntnis eine beweislaständernde Tatsachenbestätigung oder rechtliche Würdigungen, ist die Klausel nach Nr 12 unwirksam (BGH ZIP 19, 376 Rz 33).

III. Verträge zwischen Unternehmern.

 

Rn 99

Der Rechtsgedanke der Nr 12a ist mit Rücksicht auf die handelsrechtlichen Gewohnheiten und Gebräuche auf den unternehmerischen Geschäftsverkehr übertragbar (BGH NJW 06, 49 [BGH 05.10.2005 - VIII ZR 16/05]). Für die Bestätigung rein tatsächlicher Vorgänge und Zustände iSv Nr 12b kann sich im b2b-Verkehr ein praktisches Bedürfnis ergeben (BRHP/Becker § 309 Nr 12 Rz 13). Wertende Bestätigungen sind aber auch im unternehmerischen Verkehr unzulässig (BGH NJW 87, 1634 [BGH 28.01.1987 - IVa ZR 173/85]).

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