Rn 1

§ 273 I definiert das Zurückbehaltungsrecht als Recht des Schuldners, seine Leistung zu verweigern, bis die ihm gebührende Leistung vom Gläubiger bewirkt wird. Die beiderseitigen Leistungspflichten werden also miteinander verknüpft, so dass der Schuldner seine Leistung so lange zurückhalten kann, bis er vom Gläubiger wegen seiner Forderung befriedigt wird und umgekehrt (MüKoBGB/Krüger § 273 Rz 1). Das Zurückbehaltungsrecht ist eine anspruchsbeschränkende Einrede (Wolf/Neuner AT § 21 Rz 27 f), durch deren Geltendmachung der Schuldner rechtsgestaltend auf den Anspruch des Gläubigers in der Form einwirkt, dass er nur noch auf Leistung Zug-um-Zug gegen Empfang der Gegenleistung gerichtet ist (Soergel/Forster § 273 Rz 1; s Rn 19).

 

Rn 2

Das allg Zurückbehaltungsrecht ist nicht Folge des Synallagmas (für gegenseitige Verträge geht § 320 als lex specialis vor, Staud/Bittner/Kolbe § 273 Rz 2), sondern eine besondere Ausformung von Treu und Glauben (hM, BGHZ 91, 83; Grüneberg/Grüneberg § 273 Rz 1; MüKoBGB/Krüger § 273 Rz 2; Staud/Bittner/Kolbe § 273 Rz 8; Soergel/Forster § 273 Rz 2): Derjenige, der aus einem einheitlichen Rechtsverhältnis eine Leistung fordert, ohne die ihm obliegende Gegenleistung zu erbringen, handelt treuwidrig (RGZ 68, 34; 152, 73; BGHZ 38, 126).

 

Rn 3

Aus dem Verständnis des Zurückbehaltungsrechts als Ausdruck des allg Grundsatzes von Treu und Glauben ergeben sich gewisse Einschränkungen (Grüneberg/Grüneberg § 273 Rz 17 f; Soergel/Forster § 273 Rz 45 ff): § 242 schließt das Zurückbehaltungsrecht zB aus, wenn der Schuldner für seine Ansprüche genügend Sicherheiten besitzt (BGHZ 7, 127; BAG ZIP 85, 304), wenn wegen einer geringen Gegenforderung die ganze Leistung zurückbehalten werden soll (RGZ 61, 128), wenn ggü einer unbestrittenen Forderung ein Gegenanspruch geltend gemacht wird, dessen Klärung so schwierig ist, dass die Durchsetzung der unbestrittenen Forderung auf unabsehbare Zeit verhindert wird (BGH NJW-RR 05, 969; BGHZ 91, 83; NJW 00, 948; 90, 1172; weitere Bsp bei Grüneberg/Grüneberg § 273 Rz 17 f) oder wenn die Rechnung nicht den Vorgaben des UStG entspricht (BGH WM 14, 1928; Heeseler BB 06, 1137). Umgekehrt erfährt das Zurückbehaltungsrecht durch § 242 auch gewisse Erweiterungen, besteht also, obwohl die Voraussetzungen des § 273 (s Rn 9 ff) nicht erfüllt sind (›dolo facit, qui petit, quod statim redditurus est‹, AnwK/Schmidt-Kessel § 273 Rz 8; Grüneberg/Grüneberg § 273 Rz 1).

 

Rn 4

Dem Zurückbehaltungsrecht kommen zwei wesentliche Funktionen zu. Zum einen bezweckt das Zurückbehaltungsrecht den Schutz des Schuldners, indem es seine Gegenansprüche sichert (Sicherungsmittel) (BGH NJW 87, 3255; MüKoBGB/Krüger § 273 Rz 3), zum anderen stellt es ein mittelbares Druckmittel zur Durchsetzung der Gegenansprüche dar, weil der Gläubiger leisten muss, wenn er seine Forderung befriedigt haben will (MüKoBGB/Krüger § 273 Rz 3; Soergel/Forster § 273 Rz 3; Staud/Bittner/Kolbe § 273 Rz 4). Anders als das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht (§§ 369, 371 HGB) gewährt es allerdings kein Befriedigungsrecht.

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