I. Die Unverhältnismäßigkeit der Herstellungskosten, Abs 2 S 1 u 2.

1. Regel.

 

Rn 7

Der Gläubiger soll nach II 1 in Geld entschädigt werden können, wenn die Herstellung den Schädiger unverhältnismäßig teuer käme (§ 249 I) oder die nach § 249 II geschuldeten Herstellungskosten unverhältnismäßig hoch sind. Hierfür gilt bei Kfz die 130 %-Grenze (wenngleich dort nicht über § 251, sondern über das Gebot der Wirtschaftlichkeit begründet, § 249 Rn 9, 29). Diese kann aber auf andere Sachen nicht schematisch übertragen werden. Vielmehr bedarf es dort einer Abwägung der beiderseitigen Interessen und sogar des beiderseitigen Verschuldensgrades (vgl BGHZ 59, 365, 368; NJW 88, 699, 700; 10, 2341 Tz 20), wobei der Schädiger – wie bei § 249 (dort Rn 35) – das Prognoserisiko trägt. Für den Grundstückskauf sind Mängelbeseitigungskosten nach Ansicht des BGH (BGHZ 200, 350) unverhältnismäßig, wenn sie den Verkehrswert des Grundstücks in mangelfreiem Zustand oder 200 % des mangelbedingten Minderwerts übersteigen; der Käufer ist mit seinem Schadensersatz dann auf den mangelbedingten Minderwert beschränkt. Wenn die Herstellung nur immateriellen Interessen dient, passt II 1 überhaupt nicht. Für Kosten zur Wiederherstellung der Gesundheit verbietet sich eine ›Wirtschaftlichkeitsbetrachtung‹, einen ›wirtschaftlichen Totalschaden‹ beim Menschen sollte es gerade nicht geben (verfehlt daher BGHZ 63, 295: Kosten der Beseitigung einer Unfallnarbe von 2.500 DM als unverhältnismäßig angesehen).

 

Rn 8

In der Nähe dieser Problematik steht auch der Modellbootfall von BGHZ 92, 85: Ein vom Geschädigten in jahrelanger Arbeit hergestelltes Modellboot war nicht reparaturfähig zerstört worden. Hier soll nur Geldersatz nach I Alt 1 verlangt werden können. Hierfür ist der Wert der aufgewendeten Arbeit und des Materials keine geeignete Schätzungsgrundlage für § 287 ZPO (BGHZ aaO 92). Der BGH (aaO 93) weicht daher aus ›auf einen Vergleich mit ähnlichen Objekten, die einen Marktpreis haben‹ (aber das hilft nicht immer).

 

Rn 9

Die Beschädigung eines auf Dauer gepflanzten Baumes bedeutet wegen § 94 I 2 rechtlich eine Beschädigung des Grundstücks (BGH NJW 06, 1424 mN). Gleiches gilt für ein Gebäude (BGHZ 102, 322, 325). Zu ersetzen ist also der oft schwer feststellbare Minderwert des Grundstücks. Die Kosten einer verfrüht nötigen Neuanpflanzung sollen nur bei Teilschaden ohne Totalverlust und auch erst zu ersetzen sein, wenn sie wirklich entstanden sind (BGH NJW 06, 1426 [BGH 01.12.2005 - I ZR 31/04]).

2. Ausnahmen, Abs 2 S 2.

 

Rn 10

II 2 ist 1990 zur Sonderstellung von Tieren in § 90a eingeführt worden. Danach kann die Herstellung (Heilung) eines verletzten Tieres nicht allein deshalb abgelehnt werden, weil ihre Kosten den Wert des Tieres erheblich übersteigen. Das berücksichtigt aber letztlich nur die Bindungen des Eigentümers an das Tier (AG Düsseldorf 3.2.22 – 27 C 40/21 spricht vom Affektionsinteresse bei Kosten, die das Doppelte des damaligen Kaufpreises des Hundes ausmachten) und nicht den Tierschutz selbst, für den solche Bindungen unbeachtet bleiben müssen. Die Anrufung von Art 20a GG (vgl LG Essen NJW 04, 527, 528 [LG Essen 04.11.2003 - 13 S 84/03]) ist daher wohl übertrieben. Immerhin wurden für Tiere fast ohne Marktwert Behandlungskosten bis 2.000 Euro noch für angemessen gehalten (etwa LG Bielefeld NJW 97, 3320 [LG Bielefeld 15.05.1997 - 22 S 13/97]; LG Baden-Baden NJW-RR 99, 609). Die Verhältnismäßigkeitsschwelle ist indes überschritten, wenn die Behandlungskosten das sechsfache des Wertes des Tieres übersteigen (München VersR 11, 1412). Zur – streitigen – Frage der Wahlfreiheit des Geschädigten bezüglich der tatsächlichen Vornahme einer Herstellung (§ 249 Rn 23) im Falle des II 2 vgl MüKo/Oetker Rz 66 f. Zum Schmerzensgeld bei Verletzung und Tötung von Tieren § 253 Rn 1, 2.

 

Rn 11

Ähnliches wie nach § 251 II 2 gilt nach UmweltHG § 16 und GenTG § 32 VII: Es sollen ökologische Interessen berücksichtigt werden. Freilich geht es auch hier wieder letztlich um die Interessen des geschädigten Eigentümers, der ja idR zur Herstellung nicht verpflichtet ist. Abweichendes gilt rückwirkend seit dem 30.4.07 durch das auf eine EG-RL (2007/35/EG v 30.4.07) zurückgehende USchadG v 10.5.07 (BGBl I 666), dazu L. Diederichsen NJW 07, 3377 ff. Denn hier sind bestimmte Umweltschäden (§§ 2 Nr 1, 6, 8 USchadG) zwingend durch Sanierung zu beheben; eine Geldablösung ist ausgeschlossen. Das wird nach den §§ 10, 11 aaO iVm §§ 2, 3 UmwRG durch die Gewährung einer Verbandsklage gesichert.

II. Das Wahlrecht des Schädigers.

 

Rn 12

Die für II maßgebliche Unverhältnismäßigkeit der Herstellungskosten muss vom Schädiger geltend gemacht werden; er hat eine Ersetzungsbefugnis (hM, Staudinger/Schiemann Rz 24). Solange der Schädiger diese nicht ausgeübt hat, schuldet er also die Herstellung oder den Ersatz der Herstellungskosten. Nach der Ausübung schuldet er nur den Sachwert und nicht etwa den Geldbetrag, bis zu dessen Höhe die Herstellungskosten ersatzfähig gewesen wären. Das gilt selbst dann, wenn der Geschädigte die hohen Herstellungskosten wirklich aufgewendet hat (BGH NJW 72, 1800 [BGH 20.06.1972 - VI ZR 61/71]).

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