Verfahrensgang

AG Gelsenkirchen-Buer (Entscheidung vom 08.07.2003; Aktenzeichen 28 C 49/03)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 08.07.2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer (28 C 49/03) wird zurückgewiesen.

Der Beklagte Trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

 

Gründe

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2, §313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen. Denn ein Rechtsmittel gegen das Urteil ist unzweifelhaft nicht zulässig. Das Gericht lässt eine Revision nicht zu, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen, und der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer übersteigt nicht einen Betrag von 20.000,00 EUR, § 26 Nr. 8 EGZPO.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Rechtsmittel des Beklagten hat keinen Erfolg, da das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil zu Recht entschieden hat, dass er dem Kläger Schadensersatz in ausgeurteilter Höhe schuldet. Die erstinstanzliche Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die gemäß §529 Abs. 1 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

Der Kläger kann von dem Beklagten gemäß §§281 Abs. 1, 437 Nr. 3, 434 BGB Ersatz für die aufgewendeten Tierarztkosten iHv. 1.132,99 EUR verlangen.

Der am 19.10.2002 vom Beklagten erworbene Mischlingsrüde wies einen Sachmangel iSd. §§ 434, 90a BGB auf. Das Amtsgericht hat - gemäß § 529 Abs. 1 ZPO für die Berufungskammer bindend - festgestellt, dass der Hund mit Parvovirose infiziert war. Nachdem der Beklagte die Infektion in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 17.06.2003 eingeräumt hat, war dies als unstreitig zu werten. Das zuvor schriftsätzlich erklärte Bestreiten mit Nichtwissen ist vor dem Hintergrund dieser Parteierklärung unbeachtlich.

Da es sich vorliegend um einen Verbrauchsgüterkauf handelt, gilt gemäß § 476 BGB eine tatsächliche Vermutung, dass dieser Mangel auch schon bei Gefahrübergang vorlag, da er sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang gezeigt hat. Die Symptome der Krankheit traten am 23.10.2002, also nur vier Tage nach der Übergabe auf.

Die gesetzliche Vermutung ist hier - entgegen der Ansicht des Beklagten - auch anwendbar: Teilweise kann die Anwendung des §476 BGB wegen der Art des Mangels ausgeschlossen sein. Dies wird diskutiert für den Tierkauf; dort können die Art der Infektion und die Dauer der Inkubationszeit der Vermutung entgegenstehen (Palandt- Putzo, BGB, 62. Aufl., §476 Rdn. 11). Beispielsweise wäre die Vermutung ausgeschlossen, wenn die ersten Krankheitssymptome erst nach Ablauf der Inkubationszeit auftreten. Solche Umstände hätten jedoch vom Beklagten vorgetragen werden müssen. da er sich auf eine Ausnahme von der gesetzlichen Vermutung berufen will. Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, warum die Vermutung des §476 BGB nicht gelten soll.

Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil er keine Frist zu Nachlieferung gesetzt hat. Grundsätzlich sieht das Rechts-behelfssystem des Kaufrechts nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vor, dass die Nachlieferung Vorrang vor allen anderen Rechtsbehelfen hat. Grundsätzlich korrespondiert damit ein Recht des Verkäufers auf eine zweite Andienung der Kaufsache.

Danach muss der Käufer zwar - anders als bei anderen Leistungsstörungen - keine

Frist zur Nacherfüllung setzen. Er hat aber dennoch zunächst den Verkäufer um Nachlieferung zu ersuchen. Dieser Regelung liegt insbesondere im Bereich des Rücktritts eine Interessenabwägung zu Gunsten des Verkäufers zu Grunde, der eine letzte Chance zur ordnungsgemäßen Erfüllung erhalten soll, bevor sich der Käufer mit allen wirtschaftlichen Nachteilen für den Verkäufer vom Vertrag lösen kann. Auf der anderen Seite entspricht es auch dem allgemeinen Rechtsempfinden, dass der Käufer in erster Linie eine mangelfreie Sache haben will (Schmidt-Räntsch, Das neue Schuld recht, Rdn. 771/772; 762).

Dieser Grundsatz kann aber nicht uneingeschränkt gelten (Büdenbender in: Dauner- Lieb u.a., Anwaltskommentar zum Schuld recht, §437 Rdn. 7; Westermann NJW 2002, 241, 248). In bestimmten Ausnahmefällen richtet sich das Rechtsschutzinteresse des Käufers direkt auf den Schadensersatz neben der Leistung, wenn das Abwarten einer Nachlieferungsfrist unzumutbar ist. Dies folgt aus einer systematischen Auslegung der §§ 437, 439, 440 BGB. Die Nachlieferung des § 437 Nr. 1 BGB tritt im Kaufrecht an die Stelle der Fristsetzung in §§ 281, 323 BGB. Grundsätzlich sind vor die Rechtsbehelfe des Rücktritts und des Schadensersatzes Fristsetzungen geschaltet. Im Kaufrecht ersetzt das Nachlieferungsverlangen diese Fristsetzung und gemäß § 440 BGB kann ohne weitere Frist zurückgetreten oder Schadensersatz verlangt werden. Das heißt aber gleichzeitig, dass die Nachlieferung im Kaufrecht unter den gleichen Voraussetzungen entbehrlich sein muss, wie es eine Fristsetzung bei anderen Leistungsstörungen wäre. Dies ist gemäß §§ 281 Ab...

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