Rn 12

Andere vermögensrechtliche Schädigungen (zB durch Betrug, Untreue, Nichtleistung, vielfach auch die Nichterfüllung von Schutzpflichten) betreffen von vornherein das Vermögen. Hier besteht die Herstellung in einer Geldzahlung, ohne dass diese auf § 251 gestützt werden müsste. Denn diese Geldzahlung stellt genau den Zustand her, der ohne den zum Ersatz verpflichtenden Umstand bestünde. Bekämpft dagegen der Schuldner selbst die Forderung, von der er Befreiung verlangt, mit einem Rechtsbehelf, kann er vom Ersatzpflichtigen nicht Zahlung fordern, sondern nur die Feststellung der Ersatzpflicht (BGH NJW 07, 1809 [BGH 16.11.2006 - I ZR 257/03] Tz 20).

 

Rn 13

Herstellung ist insb auch möglich, wenn der Schaden in der Belastung mit einer Verbindlichkeit besteht, und zwar selbst bei einem vermögenslosen Verein (BGHZ 59, 148 gegen das RG). Die Herstellung besteht hier in der Befreiung von der Verbindlichkeit (§ 257). Ist der Schädiger zugleich der Gläubiger, so darf er seine Forderung nicht geltend machen, und zwar ohne Rücksicht auf Aufrechnungsverbote (BGHZ 71, 240, 245 mwN). Entspr hat der BGH (NJW 20, 1962, 1968; auch noch nach Aufspielen des Softwareupdates (BGH NJW 20, 2804 [BGH 30.07.2020 - VI ZR 367/19]) in den sog. ›Dieselfällen‹ einen Schaden in dem Abschluss eines Kaufvertrages gesehen, der dann über § 826 rückabzuwickeln ist (näher § 826 Rn 24). Diese (deliktische) Rückabwicklung umfasst den Ersatz von Finanzierungskosten (BGH NJW 21, 2362 [BGH 13.04.2021 - VI ZR 274/20]). Obwohl solcherart der Schaden in einem ›ungewollten‹ Vertrag liegt, erlaubt der BGH dem Käufer, den Wagen zu behalten und nur den Minderwert ersetzt zu verlangen, auch wenn dies den Vertrag in seinem Fortbestand ja gerade perpetuiert (BGH NJW 21, 3041).

 

Rn 14

Einen Sonderfall bildet die Belastung mit dem Unterhalt für ein nicht gewolltes Kind. Hier hatte schon RGZ 108, 87 eine Ersatzpflicht ohne weiteres bejaht, ebenso noch LG Itzehoe FamRZ 69, 90. Im Anschluss an dieses Urt hat sich aber eine teils emotionale Debatte darüber ergeben, ob eine familienrechtlich begründete Pflicht auf den Verursacher übertragbar sei und ob dies nicht den Interessen des Kindes schade (Übersicht in BGHZ 76, 249, 252 f). Doch ist der VI. ZS des BGH aaO diesen Bedenken nicht gefolgt. In seinem Abtreibungsurteil hat dann der 2. Senat des BVerfG die Bedenken wieder aufgegriffen: Eine Qualifikation des Kindes als Schadensquelle sei von Verfassungs wegen (Art 1 I GG) ausgeschlossen; die zivilrechtliche Rspr sei daher zu überprüfen (BverfG NJW 93, 1751). Diese Überprüfung hat in BGHZ 124, 128, 136 f stattgefunden: Das Schadensrecht solle Lasten feststellen und sie entspr der Verantwortung verteilen. Die Bewertung der Unterhaltspflicht als eine vermögensmäßige Differenz bedeute keine Herabwürdigung. Der Akzeptanz des Kindes könne es sogar nützen, wenn sein Unterhalt durch einen Schadensersatzanspruch gesichert sei. Dieser Standpunkt ist auf eine Verfassungsbeschwerde hin vom 1. Senat des BVerfG gebilligt worden (NJW 98, 519 [BVerfG 12.11.1997 - 1 BvR 479/92]). Die vom 2. Senat (NJW 98, 523) geforderte Anrufung des Plenums (§ 16 BVerfGG) hat der 1. Senat mit Recht abgelehnt: Die genannten Bedenken des 2. Senats gehörten nicht zu den tragenden Gründen seiner Entscheidung und hierüber brauche das Plenum nicht zu befinden. Damit dürfte die Ersatzpflicht für die Praxis feststehen.

 

Rn 15

Fraglich ist dagegen der Umfang der Ersatzpflicht. Nach BGHZ 76, 259, 267 soll der familienrechtlich bestimmte Unterhalt ›nicht schlechthin einem Schaden gleichgesetzt werden können‹, weil er von der Leistungsfähigkeit und auch von Entscheidungen der Eltern abhänge. Zu ersetzen sei nur der ›eigentliche Planungsschaden‹, nämlich der nach durchschnittlichen Anforderungen für das Auskommen eines Kindes erforderliche Betrag. Andererseits soll nach BGHZ 124, 128, 144 bei der Geburt eines kranken anstatt eines erwünschten gesunden Kindes der gesamte Unterhalt ersetzt werden und nicht nur die krankheitsbedingten Mehrkosten.

 

Rn 16

Hier beachtet BGHZ 76 aaO jedoch den sonst anerkannten Grundsatz nicht, der Schädiger müsse den Geschädigten so nehmen, wie er nun einmal sei (s.u. Rn 50). Damit wäre bei wohlhabenden Eltern ein höherer Schaden ohne weiteres zu begründen. BGHZ 124 aaO ist schwer vereinbar mit der Schutzzwecklehre (s.u. Rn 67): Der durch die Beratung zu vermeidende Vermögensschaden bestand ja nur in der besonderen Belastung durch die Krankheit des Kindes.

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