Gesetzestext

 

(1) 1Bei der Feststellung des Wertes des Nachlasses bleiben Rechte und Verbindlichkeiten, die von einer aufschiebenden Bedingung abhängig sind, außer Ansatz. 2Rechte und Verbindlichkeiten, die von einer auflösenden Bedingung abhängig sind, kommen als unbedingte in Ansatz. 3Tritt die Bedingung ein, so hat die der veränderten Rechtslage entsprechende Ausgleichung zu erfolgen.

(2) 1Für ungewisse oder unsichere Rechte sowie für zweifelhafte Verbindlichkeiten gilt das Gleiche wie für Rechte und Verbindlichkeiten, die von einer aufschiebenden Bedingung abhängig sind. 2Der Erbe ist dem Pflichtteilsberechtigten gegenüber verpflichtet, für die Feststellung eines ungewissen und für die Verfolgung eines unsicheren Rechts zu sorgen, soweit es einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht.

A. Zweck.

 

Rn 1

Die erbrechtliche Sonderreglung, die nicht bei Berechnung des Zugewinns (BGH NJW 92, 2154, 2156 [BGH 20.05.1992 - XII ZR 255/90]) gilt, ermöglicht als Ausn zum Stichtagsprinzip (§ 2311 Rn 11) einen vorläufigen Wertansatz mit ggf späterer Korrektur (I 3), wenn der Wert des Nachlassbestands von künftigen ungewissen Ereignissen abhängt (I 1, II 1; vgl BGH NJW 11, 606 [BGH 10.11.2010 - IV ZR 51/09]). Die Bewertung wird zeitlich verschoben, erfolgt aber für den Zeitpunkt des Erbfalls (BGH NJW 93, 2176, 2177 [BGH 23.06.1993 - IV ZR 205/92]; Köln NJW 98, 240, 241 [OLG Köln 21.03.1996 - 20 W 27/96]). Eines Vorbehalts im Urt bedarf es dazu nicht.

B. Abs 1 S 1, Abs 2 S 1.

 

Rn 2

Aufschiebend bedingte, ungewisse und unsichere Rechte und Verbindlichkeiten bleiben vorläufig außer Ansatz. Bedingungen sind solche rechtsgeschäftlicher Art und echte Rechtsbedingungen (Gottwald Rz 5; aA RGZ 83, 253, 254). Der Grad der Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintritts ist unerheblich (MüKo/Lange Rz 4). Zur analogen Anwendung des § 2314 II 1 iVm I 3, wenn der Erbe auf Grund des VermögensG vor dem Erbfall (München DtZ 93, 153, 154) in der ehemaligen DDR enteignete Grundstücke zurückerhält (§ 3 I 1 VermG) oder Entschädigung (§ 9 VermG) erhält, vgl BGH NJW 93, 2176; FamRZ 04, 1284; 27.1.16 – IV ZR 147/15 Rz 13 ff; Kobl DtZ 93, 254; BeckOKBGB/Müller Rz 10. Zur Anwendung des ZGB (Art 235 § 1 EGBGB) vgl BGH aaO; LG Hamburg NJW 98, 2608 [LG Hamburg 23.04.1998 - 310 O 269/97]; FA-Erb/Deppenkemper Art 235 § 1 Rz 31 ff; Dieckmann ZEV 94, 198, 199.

C. Auflösende Bedingungen (Abs 1 S 2).

 

Rn 3

Auflösend bedingte Rechte und Verbindlichkeiten kommen zunächst als unbedingt in Ansatz (vgl auch § 42 InsO). Bestehen iRe einheitlichen Geschäftsbeziehung zwischen Personen beidseitig Forderungen und Verbindlichkeiten, die gegenseitig verrechnet werden, und sind diese nur teilweise sicher und unzweifelhaft, dürfen die zweifellos bestehenden Ansprüche und Verbindlichkeiten nicht als solche behandelt werden und haben die ungewissen außer Ansatz zu bleiben (BGH NJW 52, 1173 [BGH 14.07.1952 - IV ZR 74/52]). Keine Anwendung findet I 2 u 3 bei befristeten Rechten oder Verbindlichkeiten; hier ist gem § 2311 II 1; §§ 41 II, 46 InsO zu schätzen (BGH FamRZ 79, 787, 788 [BGH 20.06.1979 - IV ZR 137/77]).

D. Ausgleichung (Abs 1 S 3).

 

Rn 4

Mit Bedingungseintritt hat zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten eine Ausgleichung zu erfolgen. Der Pflichtteilsberechtigte ist so zu stellen, als ob die Bedingung bereits zur Zeit des Erbfalls eingetreten wäre bzw die Unsicherheit etc nicht bestanden hätte (BGH NJW 93, 2176 [BGH 23.06.1993 - IV ZR 205/92]; Köln NJW 98, 240 [OLG Köln 21.03.1996 - 20 W 27/96]). Dazu wird der Nachlasswert um die auf den Stichtag kaufkraftbereinigt bewertete Position bereinigt. Die Differenz des ursprünglichen zum nunmehr berechneten Pflichtteilsanspruch ist der Ausgleichsbetrag (BeckOKBGB/Müller Rz 8). Bei aufschiebend bedingten Rechten und auflösend bedingten Verbindlichkeiten erhöht der Bedingungseintritt den Pflichtteil, bei auflösend bedingten Rechten oder aufschiebend bedingten Verbindlichkeiten vermindert er ihn. Der im letzten Fall mögliche Anspruch des Erben gegen den Pflichtteilsberechtigten auf Rückzahlung wird als Bereicherungsanspruch (Soergel/Dieckmann Rz 3), ua zur Vermeidung des § 818 III als pflichtteilsrechtlicher Ausgleichsanspruch eigener Art (BeckOKBGB/Müller Rz 7; Lange/Kuchinke § 37 VIII 5) oder nach § 159 (MüKo/Lange Rz 5) behandelt (zum Realisierungsrisiko Kobl NJW-RR 20, 1274 [OLG Frankfurt am Main 25.08.2020 - 21 W 105/20]). Eine Sicherheitsleistung für die eventuelle Nach- oder Rückzahlung kann außerhalb der Insolvenz nicht verlangt werden (Damrau/Riedel Rz 14; Gottwald Rz 13); es gilt § 916 II ZPO (Staud/Herzog Rz 40). Ein Ausgleich braucht nicht im Urt über den Pflichtteilsanspruch vorbehalten zu werden (Kiel OLGZ 7, 143).

E. Abs 2.

 

Rn 5

Ungewiss ist ein Recht, wenn sein rechtlicher Bestand oder die Person des Berechtigten zweifelhaft ist (BGH NJW 52, 138, 139 [BGH 22.11.1951 - IV ZR 37/51]). Unsicher ist es, wenn nur seine wirtschaftliche oder tatsächliche Verwertung zweifelhaft ist (BGH aaO). Entspr gilt für Verbindlichkeiten. Einzelfälle (vgl MüKo/Lange Rz 7): Unsicher ist grds ein Nacherbenanwartschaftsrecht (RGZ 83, 253, 254), eine Darlehensforde...

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