Rn 1

Die Ausübung subjektiver Rechte stößt an Schranken, wo gleich- oder höherwertige Rechte anderer Personen durch die Rechtsausübung betroffen werden. Dem trägt das Gesetz zum einen dadurch Rechnung, dass es den Inhalt subjektiver Rechte insoweit bereits einschränkt. Zum anderen kennt es besondere Regelungen, die Missbrauchskonstellationen im Einzelfall verhindern. § 226 steht dabei im Kontext der Regelungen der §§ 138, 242 und 826, die allesamt einen als unangemessen empfundenen Gebrauch von Rechten einschränken können. Der Anwendungsbereich der Norm ist im Bürgerlichen Recht begrenzt, seit das Reichsgericht aus § 242 und § 826 den Begriff der unzulässigen Rechtsausübung (dazu § 242 Rn 32 ff) entwickelt hat (RGZ 146, 396): § 226 regelt faktisch nur noch einen Teilausschnitt dieses allg Rechtsbegriffs, zumal bei § 226 grds nicht Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte zum Tragen (Rn 2) kommen (MüKo/Grothe Rz 11). Eine Rechtsausübung ist aber unabhängig von § 226 missbräuchlich, wenn sie beachtliche Interessen eines anderen verletzt, ihr aber kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt (BGH NJW 12, 1717 [BGH 15.03.2012 - IX ZR 35/11] Rz 10). § 226 beschränkt sich ebenso wie § 242 nicht nur auf den Bereich des Bürgerlichen Rechts, sondern erfasst alle Rechtsgebiete (zB Arbeitsrecht vgl BAG NJW 13, 892 [BAG 14.11.2012 - 5 AZR 886/11] Rz 15: zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom ersten Krankheitstag an; zum öffentlichen Baurecht Bay VGH 22.8.12 – 14 CS 12.1031). Der Sache nach gilt § 226 auch im Prozessrecht (RGZ 120, 47, 50; Staud/Repgen Rz 41; aA RGZ 162, 65, 67), wobei sich aber hier vorrangige spezifische Kriterien (zB allgemeines Rechtsschutzbedürfnis, prozessuales Missbrauchsverbot) entwickelt haben, die den Bedürfnissen des formellen Rechts (zB nach Rechtssicherheit bzgl Prozesshandlungen) besonders entspr (BRHP/Dennhardt Rz 3). Die Darlegungs- und Beweislast für die objektiven Tatsachen, aus denen sich die Unzulässigkeit der Rechtsausübung ergibt, trägt derjenige, der sich auf das Schikaneverbot beruft (KG MDR 20, 1070 [BGH 30.06.2020 - II ZR 8/19] Rz 23). Dass es an den subjektiven Voraussetzungen fehlt, hat der Rechtsinhaber zu beweisen.

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