Gesetzestext

 

(1) Ein Minderjähriger kann ein Testament erst errichten, wenn er das 16. Lebensjahr vollendet hat.

(2) Der Minderjährige bedarf zur Errichtung eines Testaments nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters.

(3) (weggefallen)

(4) Wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, kann ein Testament nicht errichten.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Die Testierfähigkeit ist ein selbstständig geregelter Unterfall der Geschäftsfähigkeit (§§ 104 ff). Nur wer testierfähig ist, kann ein Testament wirksam errichten, ändern oder widerrufen. Die Testierfähigkeit muss beim Errichtungsakt bis zu dessen Ende gegeben sein (BGHZ 30, 294); sie soll vom Notar geprüft werden (§§ 11, 28 BeurkG). Wird der Erblasser später testierunfähig, wird die Gültigkeit des Testaments dadurch nicht berührt.

B. Tatbestandsvoraussetzungen

I. Vollendung des 16. Lebensjahrs.

 

Rn 2

Testierfähigkeit erfordert gem I die Vollendung des 16. Lebensjahrs. Unter dieser Voraussetzung kann auch der Minderjährige testieren; er benötigt dazu nicht die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters (II). Er kann allerdings nur ein öffentliches Testament (§ 2231 Nr 1) errichten und auch dies nicht durch Übergabe einer verschlossenen Schrift (§ 2233 I). Ein eigenhändiges Testament kann er nicht errichten (§ 2247 IV). Minderjährige unter 16 Jahren können weder selbst noch durch einen gesetzlichen Vertreter testieren (§ 2064).

II. Geistige Fähigkeiten.

 

Rn 3

Testierfähig ist nur, wer selbstbestimmt handeln und eigenverantwortliche Entscheidungen treffen kann. Unter welchen Voraussetzungen diese Fähigkeit fehlt, hat der Gesetzgeber in IV aufgrund von Art 14 I 2 GG konkretisiert (vgl BVerfG NJW 99, 1853 [BVerfG 19.01.1999 - 1 BvR 2161/94]). Nach IV entscheidet sich, ob die Testierfähigkeit jeweils vorliegt oder uneingeschränkt fehlt. Dies gilt auch, soweit sich Geistesstörungen nur in einzelnen Lebensbereichen auswirkten (BayObLGZ 91, 59). Es gibt weder eine je nach Schwierigkeit des Testaments abgestufte (relative) Testierfähigkeit (BGHZ 30, 117; München FGPrax 07, 274; krit nun Baumann ZEV 20, 193) noch eine solche, die sich (wie bei der Geschäftsfähigkeit) auf einen bestimmten Bereich von Angelegenheiten bezieht.

 

Rn 4

Die Frage, ob jeweils die Voraussetzungen der Testierfähigkeit gegeben sind, ist im Wesentlichen tatsächlicher Natur. Um testierfähig zu sein, muss der Erblasser Inhalt und Tragweite seiner letztwilligen Verfügungen verstehen können. Insb muss er in der Lage sein, sich ein Urt zu bilden über die Auswirkungen seiner Verfügungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen sowie über die Gründe, die für und gegen ihre sittliche Berechtigung sprechen, und entspr selbstständig, also unabhängig von den Einflüssen Dritter zu handeln (allgM; vgl BGHZ 30, 294; Frankf NJW-RR 98, 870; Soergel/Klingseis Rz 10). Auf maßgebliche Beeinflussung durch Dritte kann eine für den Testator untypische sprachliche Fassung der Verfügungen hindeuten (AG Bamberg ErbR 22, 1145). Dass der Testator kraft eigenen Entschlusses Anregungen eines Dritten aufnimmt oder dessen Forderungen und Erwartungen berücksichtigt, ist dagegen unbedenklich (BayObLG FamRZ 90, 318).

1. Testierunfähigkeit.

 

Rn 5

Testierunfähig ist derjenige, dessen Erwägungen und Willensentschlüsse nicht mehr auf einer dem allg Verkehrsverständnis entspr Würdigung der Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhafte Vorstellungen oder Empfindungen derart beeinflusst werden, dass sie nicht mehr frei sind, sondern von diesen Einwirkungen beherrscht werden (BayObLG FamRZ 04, 1822 f; München ErbR 21, 870; Frankf ErbR 18, 516; vgl Kloster-Harz ZAP 05, 843).

 

Rn 6

Eine geistige Erkrankung des Erblassers steht der Gültigkeit seines Testaments aber nicht entgegen, wenn dieses von der Erkrankung nicht beeinflusst ist (BayObLG NJW-RR 02, 1088; FamRZ 02, 1066; Grziwotz MDR 16, 739). Eine nur einzelne Lebensbereiche betreffende geistige Störung muss gerade den Bereich der für die Testamentserrichtung maßgebenden geistigen Fähigkeit berühren (BayObLGZ 91, 59). Dabei kann ein nur bezüglich bestimmter Personen bestehender paranoider Verfolgungswahn auch dann testierunfähig machen, wenn der Erblasser iÜ imstande ist, Inhalt und Auswirkungen seines Testaments zu erfassen (BayObLG FamRZ 00, 701). Die Testierfähigkeit ist grds nicht ausgeschlossen bei Psychopathie oder Rauschgiftsucht (BayObLGZ 91, 64 f; FamRZ 96, 1109), querulatorischer Veranlagung oder abnormem Persönlichkeitsbild (BayObLG FamRZ 92, 724). Chronischer Missbrauch von Alkohol oder Medikamenten bewirkt Testierunfähigkeit erst, wenn der dadurch bedingte Persönlichkeitsabbau den Grad einer Geisteskrankheit erreicht hat (Köln 22.2.16 – 2 Wx 12/16; zum Nachweis vgl Brandbg ErbR 14, 393). Bei Altersdemenz (Hambg NJOZ 20, 1224; Schmoeckel NJW 16, 433) oder Cerebralsklerose kommt es auf das Gesamtverhalten und das Gesamtbild der Persönlichkeit zz der Testamentserrichtung an (BayObLG FamRZ 96, 566; 97, 1511; Ddorf FamR...

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