Gesetzestext

 

Ist die Nachlassverwaltung angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet, so gelten die infolge des Erbfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse als nicht erloschen.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Durch die Nachlassverwaltung bzw Insolvenz kommt es zur endgültigen Trennung von Nachlass und Eigenvermögen des Erben. Die Nachlassabsonderung führt zum Verlust der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Nachlassgegenstände, § 1984 I 1, §§ 22 I 1, 80 I InsO, mit der Folge, dass die nach § 1922 eingetretene Vermögensverschmelzung (ähnlich Konfusion oder Konsolidation) in Bezug auf die Verwaltungsbefugnis (ex tunc) beseitigt wird.

 

Rn 2

Es kommt nicht darauf an, ob der Erbe bei Anordnung eines der beiden förmlichen Nachlassverfahren die Haftungsbeschränkungsmöglichkeit bereits verloren hatte (NK-BGB/Krug § 1976 Rz 2). Da der Erbe Rechtsinhaber ist, kann er im Prozess als gewillkürter, vom Nachlassverwalter ermächtigter Prozessstandschafter auftreten (BGH NJW 63, 297 [BGH 28.11.1962 - V ZR 9/61]).

 

Rn 3

Keine Anwendung findet die Vorschrift bei dinglichen Rechten, beim Nießbrauch nach §§ 1063, 1068 und beim Pfandrecht, §§ 1256, 1273 (NK-BGB/Krug § 1976 Rz 3). Von der Rspr wurden Fälle entwickelt, bei denen weder Konfusion noch Konsolidation eintritt, wie bei der Erbengemeinschaft (BGH NJW 57, 1916), bei der Testamentsvollstreckung (BGHZ 48, 214), beim Quotenvermächtnis (BGH WM 1978, 377) und im Pflichtteilsrecht (BGH NJW 87, 1260).

B. Nachlassabsonderung.

 

Rn 4

Die Nachlassabsonderung hat zur Folge, dass Forderungen und Rechte, die durch den Erbfall untergegangen sind, im Verhältnis Erbe-Nachlass-Nachlassgläubiger als vom Erbfall an fortbestanden behandelt werden.

 

Rn 5

Die der Konfusion und Konsolidation ähnlichen Wirkungen treten mit dem Erbfall in einer Person ein, wenn der Erblasser von einem Erben beerbt wird. Dies gilt nicht, wenn Verwaltungsvollstreckung angeordnet ist, da schon im Zeitpunkt des Erbfalls keine Vereinigung von Forderung und Schuld stattfand (BGHZ 48, 214).

 

Rn 6

Akzessorische Nebenrechte der erloschenen Forderung, wie Pfandrecht oder Bürgschaft, sind als fortlaufend zu betrachten (Soergel/Stein § 1976 Rz 1). Ein Pfandrecht drängt ein nachrückendes Pfandrecht durch die Absonderung nicht wieder zurück; nach § 1256 II geht das Pfandrecht mit der Forderung unter, und zwar unabhängig von einem rechtlichen Interesse des Erben an seinem Fortbestand.

 

Rn 7

Auch kann die Nachlassabsonderung die Anwachsung des Gesellschaftsanteils des Erblassers beim Erbfall auf die übrigen Gesellschafter nicht verhindern, sofern sie kraft Gesellschaftsvertrag und nicht kraft Erbrecht eintritt (RGZ 136, 97). Der erloschene Anspruch auf Leistung eines Abfindungsguthabens aus diesem gesellschaftsrechtlichen Vorgang lebt wieder auf (BGH NJW 91, 844 [BGH 10.12.1990 - II ZR 256/89]).

 

Rn 8

Da die Erbschaftssteuer nach § 10 III ErbStG an die beim Erben eingetretene Bereicherung anknüpft, gelten die Rechte und Belastungen, die infolge des Erbfalls entstanden sind, selbst dann nicht als erloschen, wenn die Voraussetzungen des § 1976 nicht vorliegen, dies gilt etwa für den Pflichtteilsberechtigten, der später zum Alleinerben des Pflichtteilsverpflichteten wird (BFHE 267, 506).

C. Wirkung.

 

Rn 9

Da die Rechte des Erben gegen den Nachlass wiederaufleben, ermöglicht es ihm diese Forderungen als Nachlassgläubiger gegen den Nachlass- bzw Insolvenzverwalter geltend zu machen (BGHZ 48, 214). Die vor Verfahrenseröffnung getätigten Verfügungen des Erben über Nachlassgegenstände bleiben wirksam. Hat dagegen der Erblasser über Gegenstände verfügt, die den Erben gehören, bleibt diese Verfügung auch nach Eintritt des Erbfalls unwirksam (MüKo/Küpper § 1976 Rz 10). Konvaleszenz (§ 185 II) tritt solange nicht ein, bis die Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten für den Erben nicht mehr bestehen (BGH NJW 97, 3370 [BGH 14.07.1997 - II ZR 122/96]). Bei unbeschränkter Haftung beseitigt auch die spätere Eröffnung das Nachlassinsolvenzverfahrens die eingetretene Konvaleszenz nicht mehr (MüKo/Küpper § 1976 Rz 10).

 

Rn 10

Bei der Berechnung der Höhe des Pflichtteilsanspruchs gelten Rechtsverhältnisse, die in Folge des Erbgangs durch Vereinigung von Forderung und Verbindlichkeit erloschen sind, entsprechend den §§ 1976, 2143, 2377 als nicht erloschen (Schlesw ErbR 07, 35).

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