Gesetzestext

 

(1) Der Betreuer nimmt alle Tätigkeiten vor, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen. Er unterstützt den Betreuten dabei, seine Angelegenheiten rechtlich selbst zu besorgen, und macht von seiner Vertretungsmacht nach § 1823 nur Gebrauch, soweit dies erforderlich ist.

(2) Der Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, dass dieser im Rahmen seiner Möglichkeiten sein Leben nach seinen Wünschen gestalten kann. Hierzu hat der Betreuer die Wünsche des Betreuten festzustellen. Diesen hat der Betreuer vorbehaltlich des Absatzes 3 zu entsprechen und den Betreuten bei deren Umsetzung rechtlich zu unterstützen. Dies gilt auch für die Wünsche, die der Betreute vor der Bestellung des Betreuers geäußert hat, es sei denn, dass er an diesen Wünschen erkennbar nicht festhalten will.

(3) Den Wünschen des Betreuten hat der Betreuer nicht zu entsprechen, soweit

1. die Person des Betreuten oder dessen Vermögen hierdurch erheblich gefährdet würde und der Betreute diese Gefahr aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann oder
2. dies dem Betreuer nicht zuzumuten ist.

(4) Kann der Betreuer die Wünsche des Betreuten nicht feststellen oder darf er ihnen nach Absatz 3 Nummer 1 nicht entsprechen, hat er den mutmaßlichen Willen des Betreuten aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln und Geltung zu verschaffen. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten. Bei der Feststellung des mutmaßlichen Willens soll nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen des Betreuten Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden.

(5) Der Betreuer hat den erforderlichen persönlichen Kontakt mit dem Betreuten zu halten, sich regelmäßig einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen und dessen Angelegenheiten mit ihm zu besprechen.

(6) Der Betreuer hat innerhalb seines Aufgabenkreises dazu beizutragen, dass Möglichkeiten genutzt werden, die Fähigkeit des Betreuten, seine eigenen Angelegenheiten zu besorgen, wiederherzustellen oder zu verbessern.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Die Vorschrift regelt die Pflichten des Betreuers bei der Ausübung seines Amtes. Mit ihr soll sichergestellt werden, dass die Wahrung und die Verwirklichung der Selbstbestimmung der Betreuten im Mittelpunkt des Betreuungsrechts stehen und ihr Schutz gewährleistet wird. In diesem Zusammenhang ist der bisher verwendete Begriff des ›Wohls‹ des Betreuten durch den Begriff der ›Wünsche‹ des Betreuten ersetzt worden, da bei der bisherigen Formulierung die Gefahr bestand, dass sich Entscheidungen an einem objektiven Wohl im Sinne objektiver Interessen des Betreuten ausrichten könnten, anstatt am Willen und an den Präferenzen des Betreuten (BTDrs 19/24445, 249). § 1821 ersetzt § 1901 aF und enthält als zentrale Norm den inhaltlichen Maßstab für jedes Handeln des Betreuers. Ihre Einhaltung ist vom BtG zu kontrollieren und durchzusetzen (§ 1862), Verstöße können ggf zur Entlassung des Betreuers führen (vgl § 1868). Die in II genannten Pflichten erzeugen jedoch keine Außenwirkung, sodass der Betreuer in seiner Vertretungsmacht nicht beschränkt wird (BGH FamRZ 08, 404). Daneben kann ggf eine Garantiepflicht zur Verhinderung von Straftaten des Betreuten bestehen (Celle FamRZ 08, 1026).

 

Rn 2

Die Betreuung umfasst alle Tätigkeiten, die zur Besorgung rechtlicher Angelegenheiten in den bei der Bestellung übertragenen Aufgabenkreisen erforderlich sind (zu den Aufgabenkreisen vgl §§ 1814, 1815 Rn 20 f), um die Geschäfte des Betreuten zu erledigen (I). Die darüber hinausgehende persönliche Zuwendung des Betreuers, wie zB persönliche Gespräche, Besuche zu Geburtstagen uÄ, sind zwar wünschenswert, aber nicht Gegenstand der Betreuung. Sie können daher auch nicht vergütet werden. Gleiches gilt für die Begleitung des Betreuten zu Arztbesuchen (BayObLG FamRZ 03, 477), die Erledigung von Einkäufen oder die Hilfe bei der Pflege, da für alle diese Tätigkeiten die Vergütung von anderen Kostenträgern zu erbringen ist (Krankenkasse, Sozialhilfe, Pflegeversicherung). Der Betreuer ist nur für die Organisation der entspr Maßnahmen verantwortlich (Jurgeleit/Deusing § 1901 aF Rz 21; BGH FamRZ 11, 293). Ausnahmsweise kann der Betreuer aber auch für bestimmte nicht vergütungsfähige Tätigkeiten über §§ 670, 1877 I Aufwendungsersatz geltend machen, zumindest dann, wenn der Zeitaufwand für die Organisation von anderen Hilfsdiensten für den Betreuer höher wäre, als diese Tätigkeiten gleich selbst auszuführen (Jürgens/Jürgens § 1901 aF Rz 3, BayObLG FamRZ 98, 1050). I 2 betont den Primat der Unterstützung (vgl Art 12 3 UN-BRK), wonach der Betreuer vorrangig alles zu unternehmen hat, um den Betreuten dabei zu unterstützen, selbst die konkret anstehende Entscheidung zu treffen und selbst eine ggf notwendige Willenserklärung oder eine Einwilligung abzugeben oder eine Rechtshandlung vorzunehmen. Erst wenn dies nicht ausreichend ist, da...

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