Rn 3

Fehlt eine als Einzelvormund geeignete Person, kann bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen des § 1773 als Ultima Ratio auch das Jugendamt als Vormund bestellt werden (I). Wegen des Auffangcharakters der Norm können die Eltern die Vormundschaft des Jugendamtes nicht ausschließen (§ 1782). Im Interesse, unnötige Belastungen der Behörde zu vermeiden, können sie es aber umgekehrt auch nicht als Vormund benennen (§ 1782). Voraussetzungen der Bestellung: Dem FamG obliegt es, wegen des Vorrangs der ehrenamtlichen Einzelvormundschaft eigene Ermittlungen anzustellen, ob die Voraussetzungen für die Bestellung einer Amtsvormundschaft des Jugendamtes vorliegen (vgl §§ 53 I SGB VIII, 26 FamFG; KG NJWE-FER 99, 211), es darf sich zu diesem Nachweis nicht auf die Mitwirkung des Jugendamtes beschränken, ist jedoch an die behördlichen Zuständigkeitsvorschriften des § 88a IV SGBVIII gebunden (Ddorf FamRZ 20, 348; BGH FamRZ 21, 1885). Zum Prüfungsumfang bei der Bestellung eines Vormunds für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: Celle FamRZ 16, 647; BGH FamRZ 21, 1885. Die notwendige Intensität der Ermittlungen bestimmt sich dabei nach der Schwierigkeit des konkreten Falles (BayObLG FamRZ 94, 1413). Auch Pflegeeltern haben bei Geeignetheit Vorrang vor dem Jugendamt (LG Hannover FamRZ 07, 1909; LG Dortmund FamRZ 10, 1170; Rostock FamRZ 17, 218; Brandbg FamRZ 20, 349). Der ehrenamtliche Einzelvormund (I Nr 1) geht den Vormündern (I Nr 2–4) vor. Die Vereinsvormundschaft hat hingegen keinen Vorrang vor der bestellten Amtsvormundschaft (Grüneberg/Götz § 1774 Rz 2, Celle FamRZ 11, 1603) oder auch einem berufsmäßig tätigen Vormund (Dresden FamRZ 22, 277). Die Zustimmung des Jugendamtes zur Bestellung als Vormund ist anders als beim Verein nicht erforderlich.

 

Rn 4

Das FamG ist bei der Bestellung nicht an das nach § 87c III SGB VIII zuständige Jugendamt gebunden, sondern kann aus sachlichen Gründen, wie zB Ortsnähe, Kontinuität usw, auch ein anderes Jugendamt zum Vormund bestellen (BayObLG FamRZ 97, 897; Hamm FamRZ 95, 830; Zweibr FamRZ 02, 1064; Schlesw FamRZ 16, 1474; aA Karlsr FamRZ 17, 812; Celle FamRZ 18, 1246). Bei der Bestellung Übergangenen steht die Beschwerde zu (§ 59 FamFG; für Minderjährige ab 14 Jahren, § 60 FamFG). Fristbeginn § 60 III FamFG.

 

Rn 5

Das Jugendamt überträgt die Führung der Vormundschaft auf einzelne seiner Beamten und Angestellten (§ 55 SGB VIII), die iR dieser Übertragung gesetzliche Vertreter des Mündels sind (§ 55 IV 2 SGB VIII), bleibt aber selbst Vormund (BGHZ 45, 362). Ihre Handlungen und Erklärungen sind dem Jugendamt als dem Träger der Amtsvormundschaft als eigene Akte zuzurechnen (§ 55 IV SGB VIII). IRd Geltung der BGB-Vorschriften genießt das Jugendamt in vielen Bereichen weitergehende Freistellungen als der Vereinsvormund (vgl Staud/Veit § 1791b aF Rz 25 f). Teils haben die Länder auch von der Ermächtigung des § 56 II 3 SGB VIII Gebrauch gemacht und weitere landesrechtliche Ausnahmen von der Aufsicht des FamG in vermögensrechtlicher Hinsicht sowie bei Lehr- und Arbeitsverträgen vorgesehen (vgl die Zusammenstellung der Vorschriften bei Staud/Veit § 1791b aF Rz 29). Für die Möglichkeit der nur eingeschränkt geltend zu machenden Aufwendungs- und Vergütungsansprüche gilt § 6 VBVG. Das Jugendamt ist zu entlassen, wenn ein geeigneter anderer Vormund zur Verfügung steht und dies dem Wohl des Mündels nicht widerspricht (§ 1804 I Nr 2). Das Jugendamt hat die Möglichkeit der Beendigung der Amtsvormundschaft idR jährlich zu prüfen (§ 57 IV SGB VIII).

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